21.06.2007 Zivilrecht

OGH: Der Verbotszweck des § 19 RAO erfordert keine Nichtigkeit hievon abweichender Vereinbarungen


Schlagworte: Aufrechnung, Rechtsanwalt
Gesetze:

§ 19 RAO, §§ 1438 ff ABGB

In seinem Beschluss vom 03.05.2007 zur GZ 1 Ob 4/07f hat sich der OGH mit dem Aufrechnungsrecht nach § 19 RAO befasst:

OGH: Gem § 19 RAO ist der Rechtsanwalt nur berechtigt, von den für seine Partei bei ihm eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, sofern seine Honorarforderungen nicht strittig sind. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin ist die zwischen den Streitteilen getroffene - von § 19 RAO abweichende - Vereinbarung über die Aufrechnung von Fremdgeldern mit auch bestrittenen Honorarforderungen wirksam. Aufrechnungsverbote sind im Rahmen der Privatautonomie nämlich grundsätzlich abdingbar; Schranken bestehen nur dort, wo die Vereinbarung der Rechtsordnung selbst oder den in ihr verankerten Grundwerten widerspricht. Besteht ein Aufrechnungsverbot, ist auf den Normzweck abzustellen. Soll bloß der Aufrechnungsgegner vor einer einseitigen Aufrechnung geschützt werden, kann er grundsätzlich auf diesen Schutz verzichten. So ist etwa das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB im Rahmen der üblichen Grenzen (§§ 864a, 879 Abs 3 ABGB) dispositiv, da sein Zweck bei entsprechender Vereinbarung nicht mehr zutrifft. Es gilt also der allgemeine Grundsatz, dass ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft mangels ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion im Verbotsgesetz nur dann nichtig ist, wenn dies der Verbotszweck der Norm erfordert. Diese Grundsätze gelten auch für § 19 RAO, unterliegt doch die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts neben den ihm in dieser Regelung eingeräumten Sonderrechten nach einhelliger Rechtsprechung den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts. Zweck des in § 19 RAO enthaltenen Verbots eines Retentions- oder Kompensationsrechts hinsichtlich strittiger Honorarforderungen ist der Schutz des Klienten, zu dessen Gunsten die von einem Rechtsanwalt gegenüber seinem Klienten zu fordernde penible Geldgebarung gewährleistet sein muss. Dem Mandanten muss es als Aufrechnungsgegner im Rahmen der Privatautonomie aber freistehen, auf diesen Schutz zu verzichten, etwa dann, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt gegeben ist oder - wie hier - laufende Geldtransaktionen vermieden werden sollen. Der Verbotszweck des § 19 RAO erfordert also keine Nichtigkeit hievon abweichender Vereinbarungen. Auch aus dem Standesrecht der Rechtsanwälte lässt sich eine solche Nichtigkeitssanktion nicht ableiten, wenngleich die Anmaßung eines Retentions- oder Kompensationsrechts ohne Vorhandensein der in § 19 RAO enthaltenen Voraussetzungen und ohne entsprechende Vereinbarung eine disziplinär zu ahndende Pflichtwidrigkeit darstellt.