21.06.2007 Zivilrecht

OGH: Ausführungen zum Rechtsmissbrauch


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

§ 1295 Abs 2 ABGB

In seinem Beschluss vom 18.04.2007 zur GZ 7 Ob 49/07t hat sich der OGH mit dem Rechtsmissbrauch befasst:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter, im Grenzkataster eingetragener Grundstücke. Der Beklagte hat im Jahr 1993 an der Grenze anstelle eines Zaunes eine 20 cm breite Grenzmauer errichtet. Zufolge eines Irrtumes bezüglich des Grenzverlaufes nahmen die Streitteile an, dass sich die Mauer je zur Hälfte auf dem Grundstück des Beklagten und jenem des Klägers befinde, der dagegen nicht protestierte. Als sich auf Grund einer durch den Nebenintervenienten vorgenommenen Vermessung am 24. 3. 2003 herausstellte, dass die Grenzmauer zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers errichtet worden war, verlangte dieser deren Entfernung. Er sei aber bereit, darauf zu verzichten, wenn der Beklagte dafür auf ein Gehrecht verzichte, das kurz zuvor Gegenstand eines Rechtsstreites zwischen den Parteien gewesen war. Da der Beklagte zu einem solchen Verzicht aber nur gegen Bezahlung von EUR 12.000,-- bereit war und deshalb keine Einigung zustande kam, erhob der Kläger Klage auf Beseitigung der Grenzmauer. Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe der Errichtung der Mauer zugestimmt. Sein Begehren, nach so vielen Jahren die - Kosten von zumindest EUR 10.000,-- verursachende - Entfernung der Mauer zu verlangen, sei schikanös.

Dazu der OGH: Nach nunmehr stRsp ist Rechtsmissbrauch (Schikane) nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zu Gunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechtes handelt.

Zwar ist auch das Eigentumsrecht durch das Verbot schikanöser Rechtsausübung beschränkt. Grundsätzlich kann der Liegenschaftseigentümer auf Grund seines Eigentumsrechtes aber jederzeit die Räumung der Liegenschaft von jedem verlangen, der ihm gegenüber keinen Rechtstitel zu ihrer Inanspruchnahme hat. Dieses Recht ist in der natürlichen Freiheit des Eigentums begründet. Seine Geltendmachung allein verstößt nicht gegen die guten Sitten.

Der Umstand, dass der Kläger in gleicher Weise wie der Beklagte über den wahren Grenzverlauf irrte und im Jahr 1993 bereit war, die Grenzmauer zur Hälfte auch auf seinem Grundstück errichten zu lassen, kann entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht dahin interpretiert werden, dass die tatsächliche Errichtung der Mauer zur Gänze auf dem Grundstück des Klägers von diesem hingenommen werden müsste. Dass dessen demnach grundsätzlich berechtigtes Begehren auf Beseitigung der Mauer ausschließlich durch den Wunsch motiviert gewesen wäre, den Beklagten dadurch zum Verzicht auf ein dem Kläger lästiges Gehrecht zu veranlassen, steht nicht fest. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen kann eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung in der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass das Motiv der Durchsetzung des Eigentumsrechtes keineswegs so augenfällig im Hintergrund stünde, dass dem Schikanevorwurf Berechtigung zuerkannt werden müsste, nicht erblickt werden.