17.05.2007 Zivilrecht

OGH: Auch selbständig Erwerbstätige unterliegen der Obliegenheit, ihr Einkommen in zumutbarer Weise zu maximieren, dh ihre Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen wirtschaftlichen Sorgfalt zu betreiben


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsbemessung, selbständig, Anspannungsgrundsatz
Gesetze:

§ 140 ABGB

In seinem Beschluss vom 27.02.2007 zur GZ 10 Ob 8/07k hat sich der OGH mit der Unterhaltsbemessung Selbständiger befasst:

OGH: Bei der Unterhaltsbemessung ist nach herrschender Ansicht für das Einkommen selbständiger Erwerbstätiger nicht der steuerliche, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn maßgebend. Wenn die Privatentnahmen den Reingewinn übersteigen oder die Unternehmensbilanz einen Verlust aufweist, so treten sie an die Stelle des Betriebsergebnisses, weil die tatsächliche Verfügbarkeit über finanzielle Mittel wesentlich ist. Sind die Privatentnahmen höher als der Reingewinn und befriedigt daher der Unterhaltsschuldner eigene Bedürfnisse in privatautonomer Gestaltung seiner Lebensverhältnisse mit Hilfe seiner Vermögenssubstanz, so sind daran auch die angemessenen Bedürfnisse seiner Kinder zu messen.

Auch wenn die Privatentnahmen eines selbständig Erwerbstätigen die Grundlage der Unterhaltsbemessung bilden, sind im Allgemeinen die Entnahmen innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre maßgebend. Finden jedoch etwa bestimmte, den Unternehmensgewinn übersteigende Privatentnahmen in einem vorangegangenen Jahr Deckung, so ist aus den höheren Privatentnahmen im Folgejahr noch nicht zu schließen, der Unterhaltspflichtige werde sich bei künftigen Entnahmen nicht am Betriebsergebnis orientieren. Dann ist der Geldunterhalt für die Zukunft grundsätzlich auf Basis des tatsächlichen Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen innerhalb der letzten drei Wirtschaftsjahre zu bemessen. Ist jedoch von einer gesicherten Erwerbsbasis mit steigenden Einnahmen auszugehen, so ist ein Abweichen von den vorstehend wiedergegebenen Regeln angezeigt.

§ 140 Abs 1 ABGB geht vom Anspannungsgrundsatz (die Eltern haben Kindesunterhalt "nach ihren Kräften" zu leisten) aus. Verletzt der Unterhaltspflichtige die Anspannungsobliegenheit schuldhaft, ist der Unterhaltsbemessung jenes Einkommen zugrunde zulegen, das er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit nach den konkreten Umständen erzielen könnte. Diese Obliegenheit endet nicht schon mit der Deckung des Regelbedarfs oder der Erreichung eines Durchschnittseinkommens. Auch selbständig Erwerbstätige unterliegen der Obliegenheit, ihr Einkommen in zumutbarer Weise zu maximieren, dh ihre Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen wirtschaftlichen Sorgfalt zu betreiben. Im Anspannungsfall ist das bei wirtschaftlicher Sorgfalt erzielbare Einkommen dem Unterhaltspflichtigen zuzurechnen. Maßgebend für die Unterhaltsbemessung nach Anspannungskriterien ist die nach den konkreten Umständen (konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten bei gegebener Markt- oder Arbeitsmarktlage) im zumutbaren Rahmen vorhandene reale Erwerbsmöglichkeit; das bei realistischer Schätzung nach den Umständen des Einzelfalls erzielbare Einkommen ist (allenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen) betragsmäßig anzugeben.