OGH: Zum Wirkungsbereich des Erwachsenenvertreters
Die Angelegenheiten müssen aktuell oder in naher Zukunft zu besorgen sein; dabei ist - auch zur Vermeidung eines „Einschränkungs- und Ausdehnungs-Ping-Pongs“ - einzuschätzen, ob und welche Angelegenheiten in absehbarer Zeit anfallen werden
§§ 271 f ABGB
GZ 1 Ob 3/25k, 25.02.2025
OGH: Die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters setzt nach § 271 ABGB insbesondere voraus, dass die betroffene Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit bestimmte Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Nach § 272 Abs 1 ABGB darf der Erwachsenenvertreter nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten bestellt werden. Diese Angelegenheiten müssen aktuell oder in naher Zukunft zu besorgen sein. Dabei ist - auch zur Vermeidung eines „Einschränkungs- und Ausdehnungs-Ping-Pongs“ - einzuschätzen, ob und welche Angelegenheiten in absehbarer Zeit anfallen werden.
Schon für die Einleitung eines Erwachsenenschutzverfahrens ist nach der Rsp ein Mindestmaß an nachvollziehbarem Tatsachensubtrat erforderlich, aus dem sich das Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ergibt. Umso mehr muss ein solches Tatsachensubstrat für die Bestellung eines Erwachsenenvertreters selbst und für die Festlegung seines Wirkungsbereichs vorhanden sein. Auf dieser Grundlage haben hier die Vorinstanzen zwar zutreffend eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt, sie haben aber den Wirkungsbereich zu weit gefasst:
Ein aktueller Unterstützungsbedarf besteht aufgrund der festgestellten psychischen Erkrankung des Betroffenen in behördlichen und gerichtlichen Verfahren, die seine Wohnversorgung und seine pensionsrechtlichen Ansprüche betreffen; weiters bei der dauerhaften Verlegung des Wohnorts. Im anhängigen Aufkündigungsverfahren droht seine Delogierung, weiters sind pensionsrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Dass die dauerhafte Verlegung des Wohnorts zumindest in naher Zukunft bevorsteht, wird vom Betroffenen nicht in Abrede gestellt, sondern entspricht seinem ausdrücklichen Wunsch. Die Erwachsenenvertreterin ist für diese Angelegenheiten zu bestellen. Hingegen ist nicht erkennbar, in welchen anderen Verfahren vor „Gerichten, Ämtern und Behörden“ der Betroffene einer Unterstützung bedürfte. Auch in Bezug auf die „Vertretung vor privaten Ansprechpartnern“ fehlt es gänzlich an konkreten Anhaltspunkten für die Notwendigkeit der Bestellung einer Erwachsenenvertreterin, zudem sind diese Angelegenheiten nicht ausreichend konkret bestimmt. Es ist nicht klar, was mit der „Vertretung vor privaten Ansprechpartnern“ gemeint sein könnte und welche konkreten Angelegenheiten erfasst sein sollen.