OGH: Zum Kontaktrecht
Bei der Regelung des Kontaktrechts stellt der Wille des Kindes ein wichtiges, jedoch nicht allein maßgebliches Kriterium dar, da dieser nicht selten von außen beeinflusst ist und Schwankungen unterliegen kann
§ 187 ABGB, § 138 ABGB, § 105 AußStrG
GZ 4 Ob 4/25d, 25.02.2025
OGH: Für die Regelung des Kontaktrechts ist allein das Wohl des Kindes ausschlaggebend. Das Kontaktrecht folgt in erster Linie aus dem Kindesinteresse am elterlichen Kontakt und ist nur in zweiter Linie auch ein Elternrecht; im Konfliktfall ist daher dem Kindesrecht der Vorzug zu geben. Das Kindeswohl kann auch eine neue Regelung des Kontaktrechts erfordern, wenn die bisherige unnötig häufige, das Kind belastende Betreuungswechsel vorsah. Der Inhalt einer gerichtlichen Regelung hängt zudem nicht zwingend von bisherigen Gepflogenheiten zwischen den Eltern ab.
Das Kindeswohl wird maßgeblich von den Kindeswünschen mitbestimmt - wofür auch die in § 105 AußStrG vorgesehene Befragung in Obsorge- und Kontaktrechtsstreitigkeiten dient - aber nicht ausschließlich. § 138 ABGB zählt an Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls in Z 5 die „Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung“ auf. Die einzelnen in § 138 ABGB angeführten Kriterien sind im Einzelfall gesondert zu gewichten und zu berücksichtigen; es handelt sich dabei um eine bloß demonstrative Aufzählung wesentlicher Kriterien ohne Rangordnung.
Gem § 187 Abs 1 ABGB hat die Kontaktrechtsregelung die Anbahnung und Wahrung des besonderen Naheverhältnisses zwischen Eltern und Kind sicherzustellen und soll möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag des Kindes umfassen. Das Alter, die Bedürfnisse und die Wünsche des Kindes sowie die Intensität der bisherigen Beziehung sind „besonders zu berücksichtigen“. Bei der Regelung des Kontaktrechts stellt der Wille des Kindes daher ein wichtiges, jedoch nicht allein maßgebliches Kriterium dar, da dieser nicht selten von außen beeinflusst ist und Schwankungen unterliegen kann; je älter ein bereits einsichts- und urteilsfähiges Kind ist, desto eher wird aber seinem Wunsch zu entsprechen sein. Nach der Rsp soll gegenüber mündigen Minderjährigen kein Zwang ausgeübt werden, wenn sie den persönlichen Verkehr mit einem Elternteil (selbst wenn es unbegründet sein sollte) ablehnen, weil eine anständige, von gegenseitiger Achtung und Zuneigung getragene Begegnung nicht erzwungen werden kann und ein mit Zwangsmitteln gegen den Willen des mündigen Minderjährigen durchgesetzter persönlicher Verkehr jedenfalls dem Kindeswohl widerspräche. Jüngere Kinder können aber auch gegen ihren Willen zu einem Kontakt verhalten werden. Ob die Weigerung eines noch nicht 14-jährigen Kindes zu beachten ist, hängt unter grundsätzlicher Berücksichtigung, ob die Ablehnung aus eigener Überzeugung erfolgt, von seiner Einsicht und Urteilsfähigkeit ab.