08.04.2025 Zivilrecht

OGH: Zur Irrtumsanfechtung

Ein Händler von Bauprodukten muss nicht darüber aufklären, dass das Produkt die Leistungserklärung der CE-Kennzeichnung übererfüllt, also eine geringere Kennzeichnung aufweist, als nach ihren tatsächlichen Eigenschaften gerechtfertigt wäre


Schlagworte: Irrtumsanfechtung, Aufklärungspflicht, Übung des redlichen Verkehrs, Bauprodukte, fehlende CE-Kennzeichnung, Übererfüllung der Normen, tatsächliche Eigenschaften, Türen
Gesetze:

 

§ 871 ABGB, Art 14 VO (EU) 2011/305

 

 

GZ 8 Ob 146/24i, 27.02.2025

 

OGH: Nach stRsp besteht zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung einen Einfluss haben können, doch ist sie dann zu bejahen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. Bei wirtschaftlichen Umsatzgeschäften unter Kaufleuten sind in Hinblick auf die unterschiedlichen Interessenlagen nur geringe Aufklärungspflichten des Vertragspartners über die für die Preisbildung maßgeblichen Umstände anzunehmen; der Käufer beurteilt den Wert des Kaufgegenstands auf eigenes Risiko.

 

Hier waren CE-Kennzeichnungen weder Gegenstand von Vertragsgesprächen noch der Vereinbarungen über zugesicherte Eigenschaften der vertragsgegenständlichen Türen; vereinbart war lediglich deren Eignung für den Einsatz im Gasthaus des Klägers, was nur im Hinblick auf die Fähigkeit des Bestehens einer mechanischen Prüfung durch ein entsprechendes Institut über 200.000 Funktionszyklen sowie das Vorliegen einer Deklaration über die Eignung als sich nach außen öffnende Fluchttüren vom Kläger zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht wird.

 

Beide Eigenschaften sind nach den Feststellungen tatsächlich gegeben, ohne dass entsprechende CE-Kennzeichnungen angebracht waren. Nach Art 14 der VO (EU) 2011/305 (zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten) haben sich Händler, bevor sie ein Bauprodukt auf dem Markt bereitstellen, im Kern zu vergewissern, dass das Produkt, soweit erforderlich, mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und dass ihm die erforderlichen Unterlagen, Anleitungen und Sicherheitsinformationen beigefügt sind. Sie haben das Bauprodukt erst dann auf dem Markt bereitzustellen, wenn es der beigefügten Leistungserklärung und sonstigen nach dieser VO geltenden Anforderungen entspricht oder nachdem die Leistungserklärung korrigiert wurde. Das bedeutet (nur), dass ein Händler darauf zu achten hat, dass ein Produkt tatsächlich über Eigenschaften verfügt, die nicht hinter den durch die CE-Kennzeichnung und deren Verweis auf die Leistungserklärung oder sonstigen geltenden Anforderungen deklarierten Eigenschaften zurückbleiben. Daraus ist aber weder ableitbar, dass ein Händler ein Bauprodukt nicht vermarkten dürfte, das die Leistungserklärung übererfüllt, also eine geringere Kennzeichnung aufweist als nach ihren tatsächlichen Eigenschaften gerechtfertigt wäre, noch, dass ihm eine Pflicht auferlegt würde, seinen Vertragspartner über das Zurückbleiben der Kennzeichnung gegenüber den tatsächlichen Eigenschaften aufzuklären.