OGH: § 231 ABGB – Kosten für von der Mutter besuchte Seminare als Sonderbedarf des behinderten Kindes?
Mit der im Revisionsrekurs ausschließlich enthaltenen Ausführung, dass die Seminarkosten zwecks Anleitung zum Umgang mit dem behinderten Minderjährigen nicht in der Person der Mutter begründet seien, sondern in den Defiziten des Minderjährigen ihren Ursprung fänden, wird lediglich behauptet, dass die Mutter diese Seminare aufgrund der Behinderung des Minderjährigen besuchte, nicht aber, dass und aus welchen Gründen die Behinderung des Minderjährigen eine solche Erweiterung der Betreuungskompetenz der Mutter notwendig machte, weil ein konkreter und anders (ohne den Aufwand der begehrten Kosten) nicht zu deckender Bedarf des Minderjährigen (etwa zur Erhaltung seiner Gesundheit, zur Entwicklung seiner Persönlichkeit oder zur Förderung seiner Talente) danach bestand
§ 231 ABGB
GZ 10 Ob 67/24m, 14.01.2025
OGH: Sonderbedarf ist jener Mehrbedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf (allgemeiner Durchschnittsbedarf) bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt. Generell kann gesagt werden, dass ein Sonderbedarf durch Momente der Außergewöhnlichkeit, Dringlichkeit und Individualität bestimmt wird, also nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder zusteht. Darunter fallen hauptsächlich Aufwendungen für die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit und die Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere Kosten der Ausbildung, Talentförderung und Erziehung.
Der OGH qualifiziert daher regelmäßig Mehraufwendungen, die der Befriedigung der individuellen, aus einer Behinderung resultierenden, nicht nur vorübergehenden Bedürfnisse eines Minderjährigen entsprechen, als Sonderbedarf (3 Ob 243/19k [behinderungsbedingt nötige Nachhilfe zur Erzielung eines Schulabschlusses]; 10 Ob 51/19a [aufgrund einer Behinderung notwendige Drittbetreuung]; 8 Ob 3/18a [behinderungsbedingt erforderlicher diätischer Mehraufwand]; 6 Ob 175/18f [aufgrund einer Behinderung notwendige dauernde Betreuung und Beaufsichtigung durch externe Pflegepersonen]).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken ist, sind immer die Umstände des Einzelfalls. Die Behauptungs- und Beweispflicht für die den Sonderbedarf begründenden Umstände trifft den Unterhaltsberechtigten.
Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die das Vorbringen des Minderjährigen, der durch den Kinder- und Jugendhilfeträger vertreten ist (und daher gem § 6 Abs 3 AußStrG einer durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei gleichzuhalten ist), dahin beurteilten, dass sich daraus kein vom geldunterhaltspflichtigen Vater zu tragender Sonderbedarf ergebe, weicht von der dargestellten Rsp nicht ab.
Mit der im Revisionsrekurs ausschließlich enthaltenen Ausführung, dass die Seminarkosten zwecks Anleitung zum Umgang mit dem behinderten Minderjährigen nicht in der Person der Mutter begründet seien, sondern in den Defiziten des Minderjährigen ihren Ursprung fänden, wird lediglich behauptet, dass die Mutter diese Seminare aufgrund der Behinderung des Minderjährigen besuchte, nicht aber, dass und aus welchen Gründen die Behinderung des Minderjährigen eine solche Erweiterung der Betreuungskompetenz der Mutter notwendig machte, weil ein konkreter und anders (ohne den Aufwand der begehrten Kosten) nicht zu deckender Bedarf des Minderjährigen (etwa zur Erhaltung seiner Gesundheit, zur Entwicklung seiner Persönlichkeit oder zur Förderung seiner Talente) danach bestand.