OGH: Zur Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels (WEG)
Der Vertragsabschluss aller Vertragspartner vor Verbücherung des Wohnungseigentums ist kein Hindernis für die Gültigkeit einer solchen Vereinbarung
§ 32 WEG, § 19 WEG 1975, § 914 ABGB
GZ 5 Ob 130/24i, 18.12.2024
OGH: Besteht ein gesetzliches Schriftformgebot, so ist nach stRsp des Fachsenats die ergänzende Auslegung von Urkunden durch den Formzweck beschränkt und es sind sowohl der Wohnungseigentumsvertrag als auch Vereinbarungen der Mit- und Wohnungseigentümer nach § 32 Abs 2 WEG 2002 und § 19 Abs 2 WEG 1975, die der Schriftform bedürfen, daher nach dem einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut zu interpretieren. Auf den Willen der vertragsschließenden Parteien kommt es diesbezüglich daher nicht an. Diesem Grundsatz der streng objektiven, am Wortlaut orientierten Auslegung der im Wohnungseigentumsvertrag enthaltenen Vereinbarung über die Verteilung der Aufwendungen nach § 19 Abs 2 WEG 1975 scheint das Rekursgericht hier wenig Augenmerk geschenkt zu haben, indem es primär auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des § 914 ABGB Bezug nahm:
Der auf die hier in Rede stehende Vereinbarung anzuwendende § 19 Abs 1 S 1 WEG 1975 ordnete - wie nun § 32 Abs 1 S 1 WEG 2002 - an, dass die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen sind. Gem § 19 Abs 2 WEG 1975 (idF 3. WÄG) konnten sämtliche Miteigentümer schriftlich einen von der Regelung des Abs 1 abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen; dem entspricht nunmehr § 32 Abs 2 WEG 2002. Diese Regeln über das Abbedingen des gesetzlichen Kostenaufteilungsschlüssels sind auf Vereinbarungen im Vorstadium des Wohnungseigentums jedenfalls dann analog anzuwenden, wenn der im Gesetz genannte Personenkreis der (späteren) Miteigentümer nicht verlassen wird. Der Vertragsabschluss aller Vertragspartner vor Verbücherung des Wohnungseigentums ist daher jedenfalls kein Hindernis für die Gültigkeit einer solchen Vereinbarung.