11.02.2025 Zivilrecht

OGH: Zum Risikoausschlusses des Art 7.2.1 AHVB („Vorsatz“)

Art 7.2.2 AHVB stellt dem Vorsatz die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten gleich


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Haftpflichtversicherung, Risikoausschluss, Leistungsfreiheit, Vorsatz, vorsätzliches Handeln, Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit, Erfolg
Gesetze:

 

§ 152 VersVG, Art 7 AHVB, § 52d ÄrzteG

 

 

GZ 7 Ob 185/24t, 18.12.2024

 

OGH: Art 7.2 AHVB schließt parallel zu § 152 VersVG den Versicherungsschutz für Schäden aus, die der VN rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt hat. Dem Vorsatz wird in Art 7.2.1 AHVB die Inkaufnahme des Schadens, der als Folge einer Handlung oder Unterlassung mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, gleichgestellt. In Art 7.2.2 AHVB wird darüber hinaus (nicht mehr dem Modell des § 152 VersVG entsprechend) dem Vorsatz die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten ebenfalls gleichgestellt.

 

Rsp und hL verstehen dies dahin, dass sich - anders als beim eigentlichen Vorsatzausschluss - das Bedenken und der Beschluss des VN nicht auf den Schadenerfolg selbst, sondern nur auf einen diesem Erfolg vorgelagerten Umstand beziehen muss, der eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass es wirklich zum Eintritt des Schadens kommen kann. Der Vorsatz des VN in Art 7.2.1 AHVB braucht sich daher nur auf das Zuwiderhandeln, nicht aber auch auf die damit möglicherweise verbundenen Schadenfolgen erstrecken. Selbst wenn der VN den Eintritt des Schadens nicht billigt, sondern hofft, dass er nicht eintreten werde, reicht der bewusste Verstoß für sich allein schon aus, um die Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken.

 

Der Beklagte führte hier als Arzt bei 3 Patientinnen Anästhesien durch. Dazu verabreichte er der ersten Patientin intravenös das Narkosemittel Propofol aus einer am Vortag von ihm selbst angebrochenen, bereits benutzten Flasche. Danach entnahm er mit derselben Spritze Propofol aus einer neuen Flasche und verabreichte dieses den beiden weiteren Patientinnen. Entgegen den einschlägigen Vorschriften hat er die angebrochene Flasche am Vortag nicht entsorgt, sondern über Nacht bei sich zu Hause gelagert, wodurch es zu einer Kontamination mit einem Darmkeim kam. Durch die Verwendung derselben Spritze wurde auch die zweite, nicht angebrochene Flasche kontaminiert. Aufgrund der Verabreichung des kontaminierten Propofols erlitten die 3 Patientinnen eine schwere Sepsis, an der eine Patientin verstarb. Der Beklagte hatte Kenntnis von den einschlägigen Gebrauchsanweisungen zur konkreten Anwendung, Lagerung und Entsorgung von Propofol. Er wusste über die Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen Bescheid. Insbesondere hatte er Kenntnis von der besonderen Verkeimungsgefahr der fetthaltigen Lösung und wusste, dass das Injizieren eines Keims in die Blutbahn eine Sepsis auslösen und zum Tode führen kann. Die Vorinstanzen vertraten dazu, dass sich die Bedenken und der Entschluss des Beklagten auf den dem Schadenerfolg vorgelagerten Umstand bezogen. Er habe bewusst den Vorschriften zuwidergehandelt und in Kauf genommen, dass durch seine Handlungen die gegenständlichen Schadenseintritte wahrscheinlich eintreten würden; dies entspricht der hL und Rsp.