28.01.2025 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob einspurige Fahrzeuge im Zug des Vorfahrens gem § 12 Abs 5 StVO die zwischen zwei Richtungsfahrstreifen vor einer Kreuzung gem § 18 BodenmarkierungsVO angebrachte Sperrlinie ungeachtet des generellen Verbots gem § 9 Abs 1 StVO überfahren dürfen

Da dem Kläger der Nachweis einer objektiven Übertretung des § 9 Abs 1 StVO iSe Überfahrens nicht gelungen ist, erweist sich die Abweisung der Klage schon deshalb als berechtigt, ohne dass es einer Klärung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage bedürfte


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, einspurige Fahrzeuge, Vorschlängeln, Sperrlinie, Überfahren / Überragen, Verletzung eines Schutzgesetzes, Beweislast
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 12 StVO, § 9 StVO, § 18 BodenmarkierungsVO

 

GZ 2 Ob 191/24p, 12.12.2024

 

OGH: Gem § 9 Abs 1 StVO dürfen Sperrlinien nicht überfahren werden.

 

Dies gilt grundsätzlich auch im Zuge des „Vorschlängelns“ iSd § 12 Abs 5 StVO.

 

Ob dieser Grundsatz gleichermaßen bei Sperrlinien iSd § 18 BodenmarkierungsVO gilt, die durch Richtungspfeile gekennzeichnete Fahrstreifen vor einer Kreuzung voneinander trennen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung, weil die Abweisung der Klage aus anderen, keine Rechtsfragen der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO tangierenden Gründen nicht zu beanstanden ist.

 

§ 9 Abs 1 StVO verbietet – nach dem klaren und daher keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfenden Gesetzeswortlaut – lediglich ein Überfahren von Sperrlinien. Eine Sperrlinie ist (erst) dann überfahren, wenn zumindest mit einem Rad auf ihr gefahren wird. Lediglich im Anwendungsbereich des § 16 Abs 2 lit b StVO darf eine Sperrlinie auch nicht überragt werden.

 

Nach den Feststellungen des Erstgerichts überfuhr oder überragte der Motorradlenker die Sperrlinie.

 

Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres reicht der Nachweis aus, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Verbliebene Unklarheiten gehen daher zu Lasten des Geschädigten.

 

Da dem Kläger der Nachweis einer objektiven Übertretung des § 9 Abs 1 StVO iSe Überfahrens nicht gelungen ist, erweist sich die Abweisung der Klage schon deshalb als berechtigt, ohne dass es einer Klärung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage bedürfte. Auf eine – von den Vorinstanzen verneinte – Verletzung des § 12 Abs 5 StVO wegen Einhaltung eines zu geringen Seitenabstands im Zuge der Vorfahrt, kommt die Revision nicht mehr zurück.