VwGH: § 45 AVG – zur freien Beweiswürdigung
Die gänzliche Außerachtlassung eines Beweisergebnisses, ohne sich mit dessen inneren Wahrheitsgehalt auseinandergesetzt zu haben, entspricht nicht dem Gesetz
§ 45 AVG, § 17 VwGVG
GZ Ra 2022/12/0085, 18.11.2024
VwGH: Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG liegt in Abweichung von diesen Grundsätzen allerdings dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der in § 45 AVG aufgestellte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass die Behörde oder das VwG willkürlich vorgehen dürften, sondern nur, dass sie bei ihrer Beweiswürdigung nicht an Beweisregeln gebunden sind. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig und haben die gleiche abstrakte Beweiskraft. Dafür, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht, hat allein der „innere Wahrheitsgehalt“ der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend zu sein.
Das VwG hat daher im Rahmen der Beweiswürdigung alle relevanten Beweisergebnisse zu berücksichtigen. Die gänzliche Außerachtlassung eines Beweisergebnisses, ohne sich mit dessen inneren Wahrheitsgehalt auseinandergesetzt zu haben, entspricht nicht dem Gesetz.
Im vorliegenden Fall gelangte das VwG zu dem Ergebnis, dass kein ausreichend substantiierter Verdacht vorliege, dass mit Glücksspielgeräten oder sonstigen Eingriffsgegenständen fortgesetzt oder wiederholt gegen Bestimmungen des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei.
Zutreffend wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang die „Anzeige“ und insbesondere der ihr angeschlossene Bericht des Detektivs nicht berücksichtigt und keiner Beweiswürdigung unterzogen wurden. Schon die belBeh ist in ihrem Bescheid vom 8. Mai 2019 davon ausgegangen, dass seit 20. Jänner 2019, dem Tag des Lokalbesuchs durch den Detektiv, verbotene Ausspielungen im verfahrensgegenständlichen Lokal stattgefunden hätten. Insgesamt hat das VwG ausschließlich auf Grund der Tatsache, dass am Tag der Kontrolle durch die Finanzpolizei nur Probespiele im „Demo-Modus“ stattgefunden hätten, den Schluss gezogen, dass nicht hätte nachgewiesen werden können, dass mit den beschlagnahmten und eingezogenen Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien. Sämtliche in eine andere Richtung weisenden Beweisergebnisse und Tatsachenfeststellungen wurden unberücksichtigt gelassen (etwa, dass sich auch im „Demo-Modus“ der Spielablauf von Walzenspielen gezeigt hat, ein Ein- und Auszahlungsgerät vorgefunden wurde, dass der Eingang zum Lokal nicht zugänglich war, etc.). Die vom VwG vorgenommene Beweiswürdigung erweist sich daher als unvertretbar.