07.01.2025 Zivilrecht

OGH: Zu Änderungen des Wertes der Verlassenschaft (Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015)

Nach § 786 ABGB aF kam es nur dann zu einer (Abrechnungs-)Gemeinschaft zwischen Haupt- und Noterben, wenn dem Noterben überhaupt ein Pflichtteilsanspruch zustand


Schlagworte: Erbrecht, Pflichtteilsrecht, Noterbe, Anrechnung, Vorempfänge, Vermächtnis, Legat, Wertänderung des Nachlassvermögens, Erbengemeinschaft, Abrechnungsgemeinschaft
Gesetze:

 

§ 786 ABGB aF, §§ 788 f ABGB aF, § 774 ABGB aF

 

GZ 3 Ob 165/24x, 27.11.2024

 

OGH: Gem § 786 zweiter S ABGB aF war „die Verlassenschaft, in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile, als ein zwischen den Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten“. Der Noterbe nahm nach dieser Regelung daher im Verhältnis seines Wertanspruchs zum Nachlass an der günstigen oder ungünstigen Entwicklung des Nachlassvermögens teil. Diese Beteiligung ersetzte den Anspruch auf Verzinsung des schon fälligen Pflichtteils zwischen Erbfall und Zuteilung. Ein zwischen dem Tod des Erblassers und der Pflichtteilszuwendung eingetretener Substanzverlust konnte zufolge der Bestimmung des § 786 zweiter S ABGB aF aber auch zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten gehen; bei Vornahme unzweckmäßiger Maßnahmen durch den Erben bestand dann allerdings ein Schadenersatzanspruch.

 

Bei der Ermittlung des Wertanspruchs des Noterben waren nach den §§ 788 bis 789 ABGB aF die von ihnen erhaltenen Vorempfänge einzurechnen. Daher konnte bei entsprechender Größe der Zuwendungen durch Legate oder andere Verfügungen des Erblassers der Pflichtteilsanspruch durch diese abgedeckt sein. Eine notwendige Gemeinschaft mit den Erben iSd § 786 zweiter S ABGB kam in solchen Fällen mangels eines Pflichtteilsanspruchs von vornherein nicht in Betracht. Nach § 774 ABGB aF konnte der Pflichtteil als Erbteil oder Vermächtnis hinterlassen werden. Bei - wie hier - in Geld bestehenden Vermächtnissen für die Noterben stellen sich die zahlreichen, bei Sachzuwendungen zu lösenden Fragen der Bewertung dieser Zuwendungen nicht. Der Pflichtteilsanspruch, mit dem der Noterbe an der fiktiven Gemeinschaft iSd § 786 zweiter S ABGB aF teilnimmt, war demnach durch alle einzurechnenden Vorempfänge reduziert und eine Teilnahme an der „Abrechnungsgemeinschaft“ iSd § 786 zweiter S ABGB aF kam daher nur mit diesem reduzierten Geldanspruch in Betracht.

 

Nach diesem Grundkonzept der vor dem ErbÄG 2015 geltenden Bestimmungen über das Pflichtteilsrecht wurde somit ein Noterbe nur mit dem Wert, auf den seine Geldforderung gerichtet war, ein „Gemeinschafter“ nach § 786 zweiter S ABGB aF. Nach der Rsp zu § 786 ABGB aF kam es nur dann zu einer (Abrechnungs-)Gemeinschaft zwischen Haupt- und Noterben, wenn dem Noterben überhaupt ein Pflichtteilsanspruch zustand: Voraussetzung der Gemeinschaft iSd § 786 S 2 ABGB aF war der Bestand eines Pflichtteilsanspruchs. Zunächst war daher zu ermitteln, ob und in welchem Umfang der jeweilige Noterbe überhaupt an der Abrechnungsgemeinschaft teilnimmt. Dabei waren aber auch - wie hier - Zuwendungen durch Legate entsprechend ihrem Wert zu berücksichtigen, weil auch insoweit der Pflichtteil bereits gedeckt war und in diesem Umfang kein Anspruch bestand.