OGH: Zum „familiären Naheverhältnis“ iSd § 6 MaklerG
Ein familiäres Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 S 3 MaklerG ist nicht auf Ehegatten der Geschwister des Maklers (bzw hier des Geschäftsführers der Makler-GmbH) beschränkt, sondern auch in Bezug auf Lebensgefährten der Geschwister des Maklers zu bejahen
§ 6 MaklerG
GZ 3 Ob 201/24s, 27.11.2024
OGH: Dem Makler steht gem § 6 Abs 4 erster S MaklerG keine Provision zu, wenn er selbst Vertragspartner des Geschäfts wird. Dies gilt gem S 2 dieser Bestimmung auch dann, wenn das mit dem Dritten geschlossene Geschäft wirtschaftlich einem Abschluss durch den Makler selbst gleichkommt. Bei einem sonstigen familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnis zwischen dem Makler und dem vermittelten Dritten, das die Wahrung der Interessen des Auftraggebers beeinträchtigen könnte, hat der Makler nach S 3 leg cit nur dann Anspruch auf Provision, wenn er den Auftraggeber unverzüglich auf dieses Naheverhältnis hinweist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich dem Gesetz keineswegs entnehmen, dass das Vorliegen eines familiären Naheverhältnisses iSd § 6 Abs 4 S 3 MaklerG nur in den Fällen der gesetzlichen Erbberechtigung iSd § 730 ABGB zu bejahen wäre. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass § 6 Abs 4 S 3 MaklerG nicht (nur) auf „nahe Angehörige“ oder „Verwandte“ abstellt. Im Hinblick auf den Zweck der Aufklärungspflicht des Maklers, den Auftraggeber rechtzeitig über das bestehende Naheverhältnis (also die „Befangenheit“) des Maklers zu informieren, und den Umstand, dass das MaklerG nicht näher regelt, welcher Personenkreis in einem „familiären Naheverhältnis“ steht, liegt es zunächst nahe, einen Vergleich mit den (auf familiäre Verhältnisse abstellenden) Regelungen über die Ausgeschlossenheit von Richtern (§ 20 Abs 1 Z 2 JN und § 43 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 72 Abs 1 StGB) und über Aussageverweigerungsrechte von Zeugen (§ 321 Abs 1 Z 1 ZPO und § 156 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 72 Abs 1 StGB) anzustellen. In sämtlichen genannten Bestimmungen wird zwar (auch) auf verschwägerte Personen (also Ehegatten oder eingetragene Partner von Geschwistern der betreffenden Person) und in § 20 Abs 1 Z 2 JN und § 321 Abs 1 Z 1 ZPO auf Lebensgefährten der betreffenden Personen abgestellt, nicht aber auch auf die Lebensgefährten ihrer Geschwister. Umgekehrt ist bereits seit dem FamRÄG 2009 eine Tendenz des Gesetzgebers ersichtlich, in zahlreichen Bestimmungen – iSd Lebensrealität - die Lebensgefährten den Ehegatten gleichzustellen.
Ausgehend davon ist ein familiäres Naheverhältnis iSd § 6 Abs 4 S 3 MaklerG nicht auf Ehegatten der Geschwister des Maklers (bzw wie hier des Geschäftsführers der Makler-GmbH) beschränkt, sondern auch in Bezug auf Lebensgefährten der Geschwister des Maklers zu bejahen. Für das Bestehen der Hinweispflicht des Maklers genügt es, dass bei objektiver Betrachtung eine Beeinträchtigung der Auftraggeberinteressen nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Durch die Verwendung des Konjunktivs („könnte“) ist eine eher weite Interpretation für das Vorliegen der Aufklärungspflicht anzunehmen.