OGH: Zur Nachkontrolle von Vorausvereinbarungen gem § 97 Abs2 und 4 EheG
Ob Unzumutbarkeit iSd § 97 Abs 2 EheG vorliegt, ist durch einen Vergleich der Aufteilungsergebnisse mit und ohne Beachtung der Vereinbarung zu ermitteln; ein Indiz für Unzumutbarkeit kann im Einzelfall darin liegen, dass ein Ehegatte bei Beachtung der Vereinbarung mehr als die Hälfte weniger erhielte als ohne die Vereinbarung; ist Unzumutbarkeit anzunehmen, so ist (nur) so weit von der Vereinbarung abzuweichen, dass das Ergebnis der Aufteilung im Einzelfall nicht mehr unzumutbar ist
§ 97 EheG, § 934 ABGB
GZ 1 Ob 95/24p, 24.10.2024
OGH: Ab wann die Zuhaltung einer Vereinbarung iSd § 97 Abs 2 EheG unzumutbar ist, legt das Gesetz nicht konkret dar. Die Mat sprechen davon, dass eine unbillige und unzumutbare Benachteiligung eines Teils etwa dann vorliegen werde, wenn die Vereinbarung „die Ziele der Aufteilung des ehelichen Vermögens vorweg unterläuft und dem benachteiligten Ehegatten keinen angemessenen Anteil am gemeinsamen Vermögen sichert, sondern ihn mehr oder weniger mit Almosen abfertigt“.
Die „unbillige Unzumutbarkeit“ nach § 97 Abs 2 EheG beurteilt sich jedenfalls nach allen maßgeblichen Umständen des Einzelfalls im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung. Die unbillige und unzumutbare Benachteiligung muss nicht schon bei Abschluss der Vereinbarung vorliegen, sondern kann auch erst durch spätere Umstandsänderung eingetreten sein („Umstandsklausel“). Ob die Voraussetzungen für die Anwendung von § 97 Abs 2 EheG vorliegen, entzieht sich als Frage des Einzelfalls einer generalisierenden Betrachtung. Allerdings liegt es nahe, insofern auf die § 934 ABGB zugrundeliegende Wertung zurückzugreifen: Wenn die Rechtsordnung bei gegenseitigen Verträgen eine Verkürzung über die Hälfte als Grund für einen Eingriff in die Privatautonomie ansieht, wird das auch bei Vereinbarungen nach § 97 Abs 2 EheG in die Beurteilung der groben Unbilligkeit einzufließen haben. Es spricht daher nichts dagegen, eine krasse Benachteiligung dann anzunehmen, wenn der betroffene Ehegatte aufgrund der Vorausvereinbarung nicht einmal die Hälfte dessen erhielte, was ihm zustünde, wenn man die Vorausvereinbarung wegdenkt. Daher bedarf es für die Nachkontrolle grundsätzlich einer Gegenüberstellung dessen, was dem Mann ohne die Vorausvereinbarung zustünde, und dem, was ihm trotz der Vorausvereinbarung zukommt („Kontroll- oder Parallelrechnung“).
Ob Unzumutbarkeit iSd § 97 Abs 2 EheG vorliegt, ist durch einen Vergleich der Aufteilungsergebnisse mit und ohne Beachtung der Vereinbarung zu ermitteln. Ein Indiz für die Unzumutbarkeit kann im Einzelfall darin liegen, dass ein Ehegatte bei Beachtung der Vereinbarung mehr als die Hälfte weniger erhielte als ohne diese Vereinbarung. Ist Unzumutbarkeit anzunehmen, so ist (nur) so weit von der Vereinbarung abzuweichen, dass das Ergebnis der Aufteilung im Einzelfall nicht mehr unzumutbar ist.