03.12.2024 Zivilrecht

OGH: Zum Verfahren auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung

Da in den §§ 42 und 43 B-KJHG weder ein zwingender Einigungsversuch des Kinder- und Jugendhilfeträgers mit dem Unterhaltspflichtigen noch eine Prozesssperre vorgesehen ist, liegt bei Nichtdurchführung des Einigungsversuchs keine Unzulässigkeit des Rechtswegs vor


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Kosten der vollen Erziehung, Ersatzpflicht, Unterhaltspflichtiger, Außerstreitverfahren, Einigungsversuch, Zulässigkeit des Rechtswegs
Gesetze:

 

§§ 42 f B-KJHG, §§ 44 ff StKJHG, § 231 ABGB, § 1042 ABGB

 

GZ 3 Ob 159/24i, 28.10.2024

 

OGH: Nach § 44 Abs 1 StKJHG sind die gem § 42 Abs 2 leg cit zunächst von den Sozialhilfeverbänden oder Städten mit eigenem Statut übernommenen Kosten der vollen Erziehung (§ 28 leg cit) und der Betreuung von jungen Erwachsenen (§ 31 leg cit), soweit dadurch der Unterhalt tatsächlich geleistet wurde, von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen, soweit diese nach ihren Lebensverhältnissen dazu im Stande sind oder zum Zeitpunkt der Gewährung der Erziehungshilfe dazu im Stande waren. Diese Bestimmungen normieren somit eine Kostenersatzpflicht der unterhaltspflichtigen Eltern im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Dazu ist in der Rsp geklärt, dass der KJHT mit diesem Anspruch den Ersatz eines Aufwands iSd § 1042 ABGB geltend macht, den der unterhaltspflichtige Elternteil nach dem Gesetz hätte erbringen müssen. Auch wenn es sich bei diesem Kostenersatzanspruch um keinen Unterhaltsanspruch handelt, haben dieselben Grundsätze wie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts zu gelten.

 

Das gerichtliche Verfahren zur Festlegung des Ersatzes der Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen nach Maßgabe der jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften ist in § 43 B-KJHG geregelt. Danach entscheidet - soweit eine Vereinbarung über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen nicht zustande kommt - über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruchs, auf Antrag des KJHT das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen. Die Regelungen über das Unterhaltsverfahren sind dabei anzuwenden. Die darauf Bezug nehmende Bestimmung des § 42 B-KJHG lautet: „Vereinbarungen über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen, die zwischen den Ersatzpflichtigen und dem KJHT geschlossen werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs.“

 

Zur Vereinfachung der Durchsetzung solcher Ansprüche und zur Förderung einvernehmlicher Regelungen wurde in § 42 B-KJHG vorgesehen, dass über die Tragung oder den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung auch Vereinbarungen möglich sind, die, wenn sie mit dem Jugendwohlfahrtsträger geschlossen und von ihm beurkundet werden, die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs haben und damit gerichtliche Exekutionstitel sind. Da in den §§ 42 und 43 B-KJHG weder ein zwingender Einigungsversuch des KJHT mit dem Unterhaltspflichtigen noch eine Prozesssperre und deren Dauer vorgesehen ist, liegt bei Nichtdurchführung eines Einigungsversuchs keine Unzulässigkeit des Rechtswegs vor.