26.11.2024 Zivilrecht

OGH: Zum Adäquanzzusammenhang (iZm Arzthaftung)

Ein falscher ärztlicher Rat liegt genauso wenig außerhalb der Lebenserfahrung wie ein ärztlicher Kunstfehler; ein unrichtiger ärztlicher Rat im Gefolge einer von einem Dritten verschuldeten Körperverletzung schließt somit die Adäquanz des Geschehensablaufs nicht aus


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Arzthaftung, Adäquanzzusammenhang, Kausalität, Unterbrechung, Körperverletzung, Arzt, Kunstfehler, unrichtiger ärztlicher Rat, Aufklärungspflicht
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB

 

GZ 9 Ob 62/24v, 23.10.2024

 

OGH: Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu getreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist. Eine weitere Ursache kann auch in einem Handeln eines Dritten liegen. Das Dazwischentreten eines Dritten durchbricht den Kausalzusammenhang, wenn mit einem derartigen Handeln eines Dritten und mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war.

 

Ein ärztlicher Kunstfehler bei der Behandlung einer Körperverletzung schließt die Adäquanz des Geschehensablaufs grundsätzlich nicht aus. Mag eine ärztliche Fehlbehandlung auch nicht gerade wahrscheinlich sein, so liegt sie dennoch nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung und fällt unter die Haftung dessen, der die Körperverletzung zu verantworten hat. Ein falscher ärztlicher Rat liegt genauso wenig außerhalb der Lebenserfahrung wie ein ärztlicher Kunstfehler. Ein unrichtiger ärztlicher Rat im Gefolge einer von einem Dritten verschuldeten Körperverletzung schließt somit die Adäquanz des Geschehensablaufs nicht aus.

 

Die Erstbeklagte stützt sich hier darauf, dass eine so gröbliche Verletzung von ärztlichen Aufklärungspflichten vorliege, dass der Adäquanzzusammenhang unterbrochen sei:

 

Wie ausgeführt liegt eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde im konkreten Fall nicht in außergewöhnlich hohem Maß gegen die Regeln eines gewissenhaften ärztlichen Verhaltens verstoßen. Auch wenn die Revision richtig darauf hinweist, dass es sich dabei um eine medizinische und keine rechtliche Beurteilung handelt, ergibt sich daraus, dass die Regeln des medizinischen Berufsstandes nicht gröblich missachtet wurden. Gegen die Bejahung der Adäquanz durch die Vorinstanzen bestehen daher keine Bedenken.