OGH: Zu Vergleichen über das Erbrecht
Ist vom Parteiwillen erfasster Rechtsgrund der Vereinbarung einerseits die Streitbereinigung und andererseits die allfällige (entgeltliche) Übertragung des Erbrechts, ist die Vereinbarung insoweit (auch) als Erbschaftskauf zu qualifizieren und bei Einhaltung der Formvorschriften des § 1278 ABGB als solcher gültig
§ 533 ABGB, § 536 ABGB, § 1278 ABGB, § 1380 ABGB
GZ 2 Ob 47/24m, 15.10.2024
OGH: Das Erbrecht wird schon vor Einantwortung der Verlassenschaft, durch welche der Erbe das Eigentum erwirbt, ein für den Erben vermögenswertes Recht und damit Teil seines Vermögens, über das er unbeschränkt verfügen kann. Die hA befürwortet daher die Zulässigkeit eines Vergleichs über das Erbrecht. Auch der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich über das Erbrecht „als Rechtsgeschäfte“ grundsätzlich möglich sind. Die Zulässigkeit eines Vergleichs als rechtsgeschäftliche Verfügung über das Erbrecht ändert aber nichts an der taxativen Aufzählung der in § 533 ABGB genannten Berufungsgründe. Auch der aus einem Vergleich Begünstigte bedarf daher zum Erbschaftserwerb eines in § 533 ABGB genannten Erbrechtstitels.
Aufgrund der taxativen Aufzählung der Berufungsgründe könnten die Antragsteller hier ihr Erbrecht nur dann aus dem Vergleich ableiten, den sie mit der Testamentserbin geschlossen haben, wonach diese deren Erbrecht gegen Zahlung eines Geldbetrages anerkannte, wenn die Antragseller damit das Erbrecht der Testamentserbin erworben haben. Als Grund für ihr Erbrecht kommt ein Erbschaftskauf nach § 1278 ABGB in Betracht. Vertragsgegenstand des Erbschaftskaufs ist das Erbrecht als solches. Der Erbschaftskäufer wird Gesamtrechtsnachfolger. Er tritt an die Stelle des Veräußerers in die Abhandlung ein, gibt, soweit noch keine Erbantrittserklärung abgegeben wurde, diese im eigenen Namen - aber unter Berufung auf den erworbenen Erbrechtstitel - ab und erwirbt erst durch die Einantwortung das Eigentum an der Erbschaft.
Maßgeblich für die Qualifikation einer Vereinbarung oder eines rechtsgeschäftlichen Vorgangs als Erbschaftskauf ist die hinter dem Rechtsgeschäft stehende Parteiabsicht, also der damit verfolgte Zweck des Rechtsgeschäfts. Vereinbarungen, mit denen sich Personen zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Existenz des behaupteten Erbrechts einigen, können als Erbschaftskauf oder Erbschaftsschenkung zu qualifizieren sein, wenn es nach der Vertragsauslegung und dem dahinterstehenden Zweck der Vereinbarung auch darum geht, das Erbrecht für den Fall der Berechtigung des Veräußerers auf eine andere Person zu übertragen. Ist also vom Parteiwillen erfasster Rechtsgrund der Vereinbarung einerseits die Streitbereinigung und andererseits die allfällige (entgeltliche) Übertragung des Erbrechts, ist die Vereinbarung insoweit (auch) als Erbschaftskauf zu qualifizieren und bei Einhaltung der Formvorschriften des § 1278 ABGB als solcher gültig.