OGH: Zur Produkthaftung eines „Lohnherstellers“ (codeinhaltiger Hustensaft)
Der „Anscheinshersteller“ gem § 3 PHG ist primär haftpflichtig und kann sich nicht - wie ein Händler - durch Benennung des Herstellers bzw Vormannes von seiner Haftung befreien
§ 3 PHG, § 5 PHG, § 7 PHG, § 8 PHG, § 12 PHG
GZ 4 Ob 19/24h, 22.10.2024
OGH: Gem § 1 Abs 1 Z 1 PHG haftet der Unternehmer, der das fehlerhafte Produkt hergestellt und in den Verkehr gebracht hat. Hersteller idS ist derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt hat, sowie jeder, der als Hersteller auftritt, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt (§ 3 PHG). Nach § 6 PHG ist ein Produkt in den Verkehr gebracht, sobald es der Unternehmer, gleich aufgrund welchen Titels, einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat. Behauptet ein Hersteller oder Importeur, die Sache nicht in Verkehr gebracht zu haben, so obliegt ihm der Beweis dafür (§ 7 Abs 1 PHG). Ein Beklagter, der behauptet, dass das Produkt den für den Schaden kausalen Fehler noch nicht hatte, als er es in den Verkehr gebracht hat, hat dies als unter Berücksichtigung der Umstände wahrscheinlich darzutun (§ 7 Abs 2 PHG). Schließlich kann die Haftung gem § 8 Z 3 PHG zwar nicht durch mangelndes Verschulden, aber durch den Nachweis ausgeschlossen werden, dass - wenn der in Anspruch Genommene nur einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat - der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet worden ist, oder durch die Anleitungen des Herstellers dieses Produkts verursacht worden ist. Im Übrigen bleibt dem in Anspruch Genommenen der Regress nach § 12 PHG, der ua auf eine Verursachung des Fehlers und Verschulden abstellt.
Die Zweitbeklagte behauptet hier, bloß „Lohnherstellerin“ des gegenständlichen Hustensafts gewesen zu sein, führt dies aber im Hinblick auf die Einordnung unter §§ 1, 3 PHG nicht näher aus. Ihrem Vorbringen kann insbesondere nicht entnommen werden, dass sie - abgesehen vom Inhalt der Gebrauchsanweisung - nicht Herrin des Produktionsprozesses gewesen wäre und die Gebrauchsanweisung, die einerseits zumindest diesen Anschein und andererseits die Fehlerhaftigkeit des Produkts begründet, im Zeitpunkt des Inverkehrbringens durch sie noch nicht Produktbestandteil gewesen wäre (vgl § 7 Abs 2 PHG).
Allein das Vorbringen, dass die Zweitbeklagte das Produkt als (nicht näher definierte) „Lohnherstellerin“ über Auftrag der - gesellschaftsrechtlich nicht verbundenen und auch nicht erkennbar in den Herstellungsprozess eingebundenen - Erstbeklagten produziert hat, genügt damit aber noch nicht für eine Haftungsbefreiung nach § 7 Abs 1 PHG mangels Inverkehrbringens. Vielmehr ist von einem (zumindest) zweimaligen Inverkehrbringen (in Österreich) iSd PHG zunächst durch die Auslieferung von der Zweit- an die Erstbeklagte und sodann durch die Erstbeklagte auszugehen. Im Übrigen ist selbst der „Anscheinshersteller“ gem § 3 PHG primär haftpflichtig und kann sich nicht - wie ein Händler - durch Benennung des Herstellers bzw Vormannes von seiner Haftung befreien.