OGH: Zur Beweislast für das Vorliegen von Saisonbetrieben iSd § 1159 Abs 2 und 4 ABGB
Macht ein AN auf Basis der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung geltend, ist er und nicht der beklagte AG für das Nicht-Vorliegen eines "Saisonbetriebs" iSd § 53 Abs 6 ArbVG behauptungs- und beweispflichtig
§ 1159 ABGB, § 53 ArbVG
GZ 9 ObA 57/24h, 19.09.2024
OGH: Nach § 1159 Abs 2 und 4 ABGB können für Branchen, in denen Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, durch Kollektivvertrag für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen abweichende Regelungen festgelegt werden. Als Saisonbetriebe gelten danach Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.
Pkt 21 lit a des (Rahmen-)Kollektivvertrags für AN im Hotel- und Gastgewerbe lautet: Das unbefristete Arbeitsverhältnis kann in den ersten 14 Tagen, die als Probezeit gelten, ohne vorherige Kündigung gelöst werden. Nach Ablauf dieser Zeit kann das unbefristete Arbeitsverhältnis nur nach vorheriger 14-tägiger Kündigung gelöst werden.
Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt nur, wenn in der Branche „Saisonbetriebe“ (§ 53 Abs 6 ArbVG iVm § 1159 Abs 2 und 4 jeweils letzter S ABGB) überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbetriebe sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst. Die Kollektivvertragsparteien können das Überwiegen von Saisonbetrieben zwar deklarativ festhalten, jedoch nicht normativ festlegen, weil dieser Umstand tatbestandliche Voraussetzung für ihre Regelungsbefugnis ist. „Überwiegen“ bedeutet quantitatives Überwiegen: Es kommt - was in einem längeren Untersuchungszeitraum zu beurteilen ist - auf die Anzahl der Saisonbetriebe in Relation zur Gesamtanzahl der Betriebe einer Branche an.
Nach den allgemeinen Beweislastregeln hat jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen und es trifft denjenigen die Beweislast, der behauptet, es liege eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel vor. Macht daher ein AN auf Basis der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB Kündigungsentschädigung geltend, ist er und nicht der beklagte AG für das Nicht-Vorliegen eines "Saisonbetriebs" iSd § 53 Abs 6 ArbVG behauptungs- und beweispflichtig. Der klagende AN trägt im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass in seiner Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen und die kollektivvertragliche Bestimmung des Pkt 21 lit a KV daher wirkungslos ist, weshalb nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist zum Tragen kommt. Kann nicht festgestellt werden, ob eine Saisonbranche vorliegt (non liquet), dann trifft den diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen AN die Beweislast. In diesem Fall sind die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine des § 1159 Abs 2 ABGB nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.