OGH: Zur Frage der analogen Anwendung des § 364a ABGB auf Wasseraustritte aus einer Rohrleitung auf einem Nachbargrundstück
In jüngerer Zeit geht der OGH zu Schädigungen durch auf dem Nachbargrund ausgetretenes Wasser ganz allgemein davon aus, dass der Nachbar bei der Herstellung einer Wasserleitungsanlage zunächst auf deren Gefahrlosigkeit vertrauen und eine Untersagung außer Betracht lassen konnte; wer seinen Nachbarn durch eine solche Anlage einem erhöhten Risiko aussetzt, müsse aber dafür Sorge tragen, dass ihm daraus kein Nachteil erwächst
§ 364a ABGB
GZ 1 Ob 123/24f, 25.09.2024
OGH: Die Rsp bejaht Ersatzansprüche in Analogie zu § 364a ABGB bei Vorliegen einer dieser Bestimmung vergleichbaren Interessenlage. Eine solche wird insbesondere angenommen, wenn durch eine behördliche (Bau-)Bewilligung einer Anlage der Anschein ihrer Gefahrlosigkeit erweckt und dadurch eine Schadensabwehr praktisch erschwert oder unmöglich gemacht wurde. § 364a ABGB wird aber auch analog angewandt, wenn zwar eine solche Genehmigung fehlt, durch eine Anlage aber ein Schaden eintrat, bevor der betroffene Nachbar sein Untersagungsrecht faktisch ausüben konnte; ebenso wenn ein Immissionsschaden auftritt und einerseits der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert war und andererseits für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkuliertes Risiko darstellte, das er zu seinem Nutzen einging. Der Nachbar haftet dann für alle adäquaten Schäden, die aus dem besonderen Gefährdungspotenzial der Anlage resultieren.
Der OGH befasste sich auch bereits mehrfach mit der Verpflichtung zum Ersatz von Schäden eines Nachbarn durch das Eindringen von Wasser. Er anerkannte dazu überwiegend eine Haftung analog § 364a ABGB (1 Ob 31/78; 1 Ob 9/86; 1 Ob 31/95 [kommunaler Abwasserkanal]; 7 Ob 273/08k; 5 Ob 21/19b [Hauskanal]; 1 Ob 614/94 [Fernwärmeleitung]; 1 Ob 48/87; 8 Ob 48/07b [kommunale Wasserleitung]; 5 Ob 82/13i [Überlaufrohr]), wobei es teilweise als ausreichend angesehen wurde, dass eine Immission – wie hier – von einer Anlage der allgemeinen Daseinsvorsorge ausging. Mitunter wurde dafür auch der für deren Errichtung erforderliche Gemeinderatsbeschluss berücksichtigt. In jüngerer Zeit geht der OGH zu Schädigungen durch auf dem Nachbargrund ausgetretenes Wasser ganz allgemein davon aus, dass der Nachbar bei der Herstellung einer Wasserleitungsanlage zunächst auf deren Gefahrlosigkeit vertrauen und eine Untersagung außer Betracht lassen konnte. Wer seinen Nachbarn durch eine solche Anlage einem erhöhten Risiko aussetzt, müsse aber dafür Sorge tragen, dass ihm daraus kein Nachteil erwächst.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen auf dieser Rsp und begegnen daher keinen Bedenken.
Auch die Revision vermag solche nicht zu wecken:
Der geschädigte Kläger war (als Unterlieger) dem von der Wasserversorgungsanlage der Beklagten ausgehenden Risiko eines Wasseraustritts ausgesetzt, das die Beklagte mit dem Betrieb ihrer Anlage zu ihrem Nutzen einging. Dass das Berufungsgericht seinen Schaden als adäquate und daher „kalkulierbare“ Folge des Betriebs der Wasserversorgungsanlage ansah, begegnet keinen im Einzelfall (ebenso die in der Revision zitierten Entscheidungen zu 1 Ob 196/06i und 4 Ob 200/17s) aufzugreifenden Bedenken, zumal nach den Feststellungen bereits früher ähnliche Gebrechen auftraten. Auch die in den beiden letztgenannten Entscheidungen geforderte „objektive Vorhersehbarkeit“ der Schadensfolgen setzt nur deren „Kalkulierbarkeit“ iSe Adäquanzprüfung voraus. Darauf, ob die Beklagte den konkreten Rohrbruch vorhersehen und verhindern hätte können, kommt es für eine Haftung analog zu § 364a ABGB nicht an.
Soweit die Beklagte der von den Vorinstanzen angenommenen Analogie zu § 364a ABGB auch mit dem Argument entgegentritt, sie habe die Wasserversorgungsanlage nicht zu ihrem „eigenen“ Nutzen – sondern „im ausschließlichen Interesse der BürgerInnen“ – betrieben, wendet sie sich nicht gegen den vom Berufungsgericht insofern angenommenen Verstoß gegen das Neuerungsverbot. Davon abgesehen ist ihr auch zu entgegnen, dass ihre nachbarrechtliche Haftung als Gemeinde nicht deshalb eingeschränkt sein kann, weil diese durch eine der allgemeinen Daseinsvorsorge dienende Anlage entstand.
Auf jene von der zweiten Instanz zitierten Entscheidungen, in denen der OGH eine analoge Anwendung des § 364a ABGB – aus für den vorliegenden Fall nicht maßgeblichen Gründen – verneinte, geht die Revision nicht näher ein.