OGH: Zur Haftung des Steuerberaters
War eine gewisse Aufsicht oder Kontrolle (auch) über das Verhalten der Organe einer juristischen Person Inhalt der übernommenen Verpflichtungen, scheidet eine Zurechnung des vorsätzlichen Verhaltens des Geschäftsführers oder Leitungsorgans eines Vereins an die juristische Person aus; war dies nicht der Fall, wäre der Mitverschuldenseinwand hingegen zulässig
§§ 1295 ff ABGB, § 1299 ABGB, § 1304 ABGB, § 71 WTBG, § 77 WTBG, §§ 273 ff UGB
GZ 5 Ob 62/24i, 03.09.2024
OGH: Der Steuerberater hat seinen Beruf nach § 71 Abs 1 WTBG gewissenhaft, sorgfältig, eigenverantwortlich und unabhängig und unter Beachtung der Richtlinien der Kammer der Wirtschaftstreuhänder auszuüben; gem § 77 Abs 6 WTBG ist er dabei aber grundsätzlich berechtigt, die ihm erteilten Auskünfte und übergebenen Unterlagen des Auftraggebers, insbesondere Zahlenangaben, als richtig und vollständig anzusehen („Vertrauensgrundsatz“). Dass aufgrund des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB ein Steuerberater aber dann verpflichtet ist, die ihm vom Klienten erteilten Informationen und übergebenen Belege in Zweifel zu ziehen, wenn er für deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erhebliche Anhaltspunkte hat, ist nicht korrekturbedürftig. Würden sich somit - wie der Kläger behauptet - erhebliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vom Klienten erteilten Informationen ergeben, wäre ein Vertrauen auf den Wahrheitsgehalt der mitgeteilten Tatsachen nicht mehr gerechtfertigt.
Zur Frage der Verschuldensteilung beim grundsätzlich haftpflichtigen Abschlussprüfer - der der Beklagte hier unstrittig nicht war - ist es stRsp, dass sich ein haftpflichtiger Abschlussprüfer gegenüber der Gesellschaft nicht auf vom Vorstand oder Geschäftsführer verschuldete Fehler berufen kann, weil die Tätigkeit des Prüfers für die Gesellschaft in der Kontrolle ihrer Organe besteht. Schutzzweck der Abschlussprüfung der Gesellschaft ist es nämlich, diese vor Schäden aus unrichtiger Rechnungslegung der Organe zu bewahren. Demgemäß steht dem Abschlussprüfer der Mitverschuldenseinwand grundsätzlich nicht zu. §§ 273 bis 275 UGB sind Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB, die den Zweck haben, die geprüfte Gesellschaft vor Vermögensschäden und damit auch vor Manipulation iS vorsätzlicher unrichtiger Rechnungslegung durch den Vorstand zu schützen.
Die Frage der Zurechnung vorsätzlichen Handelns eines Geschädigten im Rahmen eines Mitverschuldenseinwands hängt im Einzelfall davon ab, welche konkreten Pflichten der fahrlässig handelnde Schädiger konkret übernommen hat: War eine gewisse Aufsicht oder Kontrolle (auch) über das Verhalten der Organe einer juristischen Person Inhalt der übernommenen Verpflichtungen, scheidet eine Zurechnung des vorsätzlichen Verhaltens des Geschäftsführers oder Leitungsorgans eines Vereins an die juristische Person aus; war dies nicht der Fall, wäre der Mitverschuldenseinwand hingegen zulässig.