10.09.2024 Verfahrensrecht

OGH: Zur Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren

Bis zur Abgabe einer Erbantrittserklärung hat der potenzielle Erbe grundsätzlich keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Verlassenschaftsverfahren, Parteistellung, Rekurslegitimation, Abgabe, Erbantrittserklärung, Aufforderung, Verständigung durch Gerichtskommissär, gesetzliche Erben
Gesetze:

 

§ 2 AußStrG, § 152 AußStrG, § 157 AußStrG

 

GZ 2 Ob 64/24m, 28.05.2024

 

OGH: Nach stRsp wird der potenzielle Erbe grundsätzlich erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Vorher hat er keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und keine Rekurslegitimation. Dem liegt der tragende Gedanke zugrunde, es könne nicht angehen, dass jemand einerseits die Erbantrittserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt unterlässt, andererseits aber Einfluss auf das Abhandlungsverfahren nehmen will. Es ist dem übergangenen Erben verwehrt, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihm Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben.

 

Die Rsp anerkennt aber Ausnahmen von diesem Grundsatz für Fälle, in denen ein potenzieller Erbe sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat und die Abgabe einer Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieben ist. Als derartige Gründe werden etwa Verfahrensfehler angesehen, wie zB eine unrichtigerweise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung oder das Fehlen einer entsprechenden Belehrung durch den Gerichtskommissär. Für eine ausnahmsweise zu bejahende Parteistellung vor Erbantrittserklärung müssen beide Voraussetzungen (Interessenbekundung und Unterbleiben der Erbantrittserklärung aus nicht in der Sphäre des potenziellen Erben liegenden Gründen) kumulativ vorliegen.

 

Hier ist das Rekursgericht nicht korrekturbedürftig davon ausgegangen, dass es nach der Aktenlage bereits an der Bekundung aktiven Interesses am Erbantritt durch die Enkeltöchter fehlte. Schon aus diesem Grund hat das Rekursgericht eine Parteistellung und Rekurslegitimation der Enkeltöchter vertretbar verneint. Das Vorliegen eines sie an der Abgabe einer Erbantrittserklärung hindernden Verfahrensfehlers zeigen die Enkeltöchter ebenfalls nicht auf: Aus welchen Gründen ihre nach § 152 Abs 2 AußStrG vorgenommene Verständigung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen haben sollte, legen sie nicht nachvollziehbar dar. Der Fachsenat hat vor Kurzem ausgesprochen, dass keine Verpflichtung des Gerichtskommissärs besteht, alle aufgrund der Aktenlage nur potentiell in Betracht kommenden gesetzlichen oder (früheren) testamentarischen Erben trotz Vorliegens eines unbedenklichen, mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten versehenen (späteren) Testaments zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufzufordern (§ 157 AußStrG).