OGH: Zur Einrede des gemeinsamen Irrtums gegen Gewährleistungsansprüche
Ein gemeinsamer Irrtum kann von einem Verkäufer nicht dem Preisminderungsrecht eines Käufers nach § 932 Abs 4 ABGB entgegengehalten werden
§§ 871 f ABGB, §§ 922 ff ABGB
GZ 9 Ob 67/23b, 26.06.2024
OGH: Liegt eine der Voraussetzungen des § 932 Abs 4 ABGB vor (hier: Verweigerung der Verbesserung), dann hat der Übernehmer die Wahl zwischen den sekundären Gewährleistungsbehelfen der Preisminderung und, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, auf Auflösung des Vertrags (Wandlung). Beim Preisminderungsanspruch handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das bei erfolgreicher Geltendmachung den Vertrag nachträglich modifiziert, sodass der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis im Umfang der Preisminderung herabgesetzt wird. Das zu viel Gezahlte kann nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden.
Richtig ist, dass die Regeln über die Gewährleistung einerseits und über die Irreführung andererseits nebeneinander bestehen und es dem Übernehmer der mangelhaften Sache bei Vorliegen auch der Voraussetzungen des § 871 ABGB möglich ist, den Anspruch auf Vertragskorrektur nicht nur aus Gewährleistung abzuleiten, sondern auch auf Irrtum zu stützen. Während aber das Gewährleistungsrecht dem Käufer einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass die Kaufsache nicht diejenigen Eigenschaften hat, die sie nach dem Vertrag haben soll (also auf dem Gedanken einer Störung der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung beruht), soll das Irrtumsrecht sicherstellen, dass niemand an einen Vertrag gebunden bleiben muss, den er unter dem Einfluss eines Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft geschlossen hat.
Hier hat der Kläger sein ihm nach § 932 Abs 4 ABGB zustehendes Wahlrecht dahin ausgeübt, dass er klageweise Preisminderung geltend macht. Der Beklagte erhebt gegen diesen Klagsanspruch die (materielle, rechtsgestaltende) Einrede des gemeinsamen Irrtums. Er leitet daraus nicht die Vertragsanpassung ab (§ 872 ABGB), sondern begehrt die (ein aliud darstellende) gänzliche Vertragsaufhebung mit Wirkung ex tunc, um die Klageabweisung zu erreichen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, diese Einrede habe in der vorliegenden Konstellation unbeachtlich zu bleiben, ist zutreffend: Dass der Beklagte dem Kläger zugleich mit der Erhebung der Einrede der Vertragsanfechtung im Prozess angeboten hat, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuerstatten, führt zu keiner anderen Beurteilung, hätte er andernfalls doch dem Kläger anbieten müssen, ihn vermögensmäßig so zu stellen, wie dieser nach erfolgreicher Geltendmachung des von ihm gewählten Preisminderungsanspruchs stünde. Erhebt der Beklagte aber - wie hier - die Einrede der Anfechtung zu dem Zweck, sich der ihn treffenden Gewährleistungspflichten zu entziehen, hat diese Einrede wirkungslos zu bleiben.