06.08.2024 Zivilrecht

OGH: Zum Herkunftslandprinzip (ECG)

Die Gründe für Abweichungen vom Herkunftslandprinzip sind in § 22 ECG taxativ aufgezählt, eng auszulegen und erfassen keine Ansprüche von juristischen Personen nach § 1330 ABGB oder § 152 StGB


Schlagworte: E-Commerce-Recht, Herkunftslandprinzip, Ausnahmen, Abweichungen, anwendbares Recht, Ehrverletzung, Kreditschädigung, juristische Personen, Internet, Facebook
Gesetze:

 

§ 3 ECG, §§ 20 ff ECG, § 1330 ABGB, § 152 StGB

 

GZ 4 Ob 191/23a, 25.06.2024

 

OGH: Nach § 21 Z 1 ECG ist das Herkunftslandprinzip in Belangen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte, der gewerblichen Schutzrechte sowie des Datenbank- und Halbleiterschutzes nicht anzuwenden.

 

§ 22 ECG ermöglicht Abweichungen vom Herkunftslandprinzip: Gem § 22 Abs 1 ECG kann ein Gericht im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse unter den dort geregelten Voraussetzungen Maßnahmen ergreifen, die den freien Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat einschränken. Gründe sind gem § 22 Abs 2 ECG etwa der Schutz der öffentlichen Ordnung (Z 1) oder der Schutz der Würde einzelner Menschen (Z 2). Diese Gründe sind allerdings taxativ aufgezählt, eng auszulegen und erfassen nach der bisherigen Rsp des OGH keine Ansprüche von juristischen Personen nach § 1330 ABGB, § 152 StGB. Damit kommt iSd Beklagten und des Berufungsgerichts im Verhältnis zwischen Österreich und Irland das Herkunftslandprinzip nach § 20 ECG zur Anwendung (vgl § 1 Abs 2 ECG).

 

Nach § 20 Abs 1 ECG richten sich im koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG) die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats. Der koordinierte Bereich umfasst auch die (privat-)rechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter (§ 3 Z 8 ECG). Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind in der Union keineswegs vollharmonisiert und die Beklagte hat hier konkret vorgebracht, dass und warum sie nach irischem Recht für die Postings nicht verantwortlich gemacht werden könne.

 

Geht man hier iSd Beklagten von der Anwendbarkeit irischen Rechts aus, ist das klägerische Vorbringen zu prüfen, laut dem sie ebenso nach diesem hafte. Diese Beurteilung kann hier keineswegs erstmals im Rekursverfahren erfolgen, auch wenn beide Parteien zum irischen Recht Vorbringen erstatteten, ist doch die im Ursprungsland durch die herrschende Rsp geprägte Anwendungspraxis zu erheben. Die fehlende Ermittlung durch das Erstgericht begründet vielmehr einen Verfahrensmangel eigener Art, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führt.