OGH: Dienstgeberhaftungsprivileg – zur Eingliederung in den fremden Betrieb
Rein organisatorische Weisungen, etwa zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle die Arbeiten vorzunehmen sind, führen idR ebenso wenig zu einer Eingliederung des Verletzten in den fremden Betrieb wie die Befugnis des anderen Unternehmers, (Sicherheitsan-)Weisungen aufgrund der faktischen Berührung mit seinem Betrieb zu erteilen oder Störungen des Betriebsablaufs abzuwenden; Anderes gilt allerdings, wenn sich die Weisungsbefugnis tatsächlich auf das Erzielen eines gemeinsam angestrebten Erfolgs bezieht
§ 333 ASVG
GZ 2 Ob 97/24i, 25.06.2024
Der Kläger, ein Dienstnehmer der als Subunternehmerin einer von der Beklagten beauftragten ARGE tätigen Nebenintervenientin, wurde bei Stopfarbeiten im Bereich einer Bahnhofsausfahrt von einem Zug erfasst und verletzt.
OGH: Ob der Kläger beim Unfall in den für ihn fremden Betrieb der Beklagten eingegliedert war und sich die Beklagte daher mit Erfolg auf das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG berufen kann, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls.
Ob eine Eingliederung in den fremden Betrieb stattgefunden hat, ist immer eine Frage des konkreten Arbeitsablaufs. Für den Haftungsausschluss nach § 333 Abs 1 ASVG kommt es damit nicht auf die konkrete Gestaltung eines Vertragsverhältnisses an. Es ist nicht einmal erforderlich, dass ein solches überhaupt besteht.
Wenn einander zwei Unternehmer als Vertragskontrahenten gegenüberstehen, kann es (nur dann) zum Haftungsausschluss kommen, wenn der Verletzte die Sphäre seines eigenen Betriebs verlässt und sich in den Aufgabenbereich des anderen Unternehmens, wenn auch uU nur kurzfristig, einordnet. Der Verletzte muss bei Verrichtung dieser Tätigkeit in den fremden Betrieb eingegliedert sein. Ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit ist dabei nicht erforderlich. Diese Grundsätze gelten auch bei Fehlen einer direkten Vertragsbeziehung zwischen dem Arbeitgeber des später verletzten Klägers und der Beklagten.
Rein organisatorische Weisungen, etwa zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle die Arbeiten vorzunehmen sind, führen idR ebenso wenig zu einer Eingliederung des Verletzten in den fremden Betrieb wie die Befugnis des anderen Unternehmers, (Sicherheitsan-)Weisungen aufgrund der faktischen Berührung mit seinem Betrieb zu erteilen oder Störungen des Betriebsablaufs abzuwenden. Anderes gilt allerdings, wenn sich die Weisungsbefugnis tatsächlich auf das Erzielen eines gemeinsam angestrebten Erfolgs bezieht.
Auf Grundlage dieser Rsp hat der Fachsenat auch iZm Unfällen bei Arbeiten an der Eisenbahn-Infrastruktur bereits ausgesprochen, dass eine Weisungsbefugnis bloß in Bezug auf Sicherheitsfragen oder den ungestörten Betriebsablauf für die Anwendbarkeit des Dienstgeberhaftungsprivilegs nicht ausreicht.
Da der als Aufsichtsorgan des Bahnbetreibers fungierende Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger nach den Feststellungen ausschließlich Weisungen in sicherheitstechnischen Belangen, nicht aber in arbeitstechnischen Belangen oder im Hinblick auf den Arbeitsablauf erteilen konnte (und tatsächlich überhaupt keine Weisungen erteilte), hat das Berufungsgericht die Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint.