23.07.2024 Zivilrecht

OGH: Zur „Ein-Stern-Bewertung“ eines Rechtsanwaltes im Internet

Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind durch bloße Punkte- oder Sternebewertungen von vornherein ausgeschlossen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Ehrenbeleidigung, Ehrverletzung, Bewertungsplattform, Internet, Google Local Listing , Ein-Stern-Bewertung, Rechtsanwalt, Mandant, Diensteanbieter, Provider, Nachforschungspflicht
Gesetze:

 

§ 20 ABGB, § 1330 ABGB, Art 10 EMRK

 

GZ 6 Ob 120/23z, 18.06.2024

 

OGH: In seinem beruflichen Bereich muss sich der selbständig Tätige auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. In diesem Bereich ist die Gefahr schlechter Bewertungen grundsätzlich hinzunehmen, weil jede Beurteilung inhaltsleer würde, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten.

 

Der OGH hat betreffend eine vergleichbare Bewertungsplattform der (auch hier) Beklagten, auf der - wie hier - ua Unternehmen bewertet werden konnten, bereits die Auffassung gebilligt, dass darin enthaltene anonyme Sterne-Bewertungen, selbst wenn sie Kommentare enthalten, nicht in jedem Fall den Eindruck erwecken, der Äußernde sei Mandant des bewerteten RA gewesen. Die (anonyme) Meinungsäußerung ist auch jenen Personen zuzugestehen, die sich bei anderer Gelegenheit als im Wege der Erteilung eines (eigenen) Mandats ein Bild vom bewerteten RA als Dienstleister gemacht haben. Bewertungen durch Personen, die nicht Mandanten waren, sind iSd Schutzes der verfassungs- und europarechtlich garantierten Meinungsfreiheit nicht unzulässig, zumal RAe durchaus in verschiedenster Form öffentlich auftreten, sodass sich vielerlei Berührungspunkte oder Beobachtungsmöglichkeiten ergeben können.

 

„Ein-Stern-Bewertungen“ sind rein subjektive, nicht überprüfbare Werturteile, die nur je nach der persönlichen Überzeugung des Bewertenden falsch oder richtig sein können und damit auch bloß die erkennbar subjektive Meinung des Äußernden wiedergeben. Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind durch bloße Punkte- oder Sternebewertungen von vornherein ausgeschlossen.

 

§ 20 Abs 3 ABGB sieht eine Abmahnung des Hostproviders als zusätzliche materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung des Unterlassunganspruchs mit dem Zweck vor, die erforderliche Kenntnis des Providers von der rechtswidrigen Information herzustellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Inhalt unverzüglich zu entfernen; reagiert der Diensteanbieter auf eine solche Mitteilung nicht, kann gerichtlich gegen ihn vorgegangen werden. Eine materiell-rechtliche Nachforschungsobliegenheit der Beklagten als Providerin dahin, ob der Bewertende Mandant der Kläger gewesen oder in einer für eine Bewertung relevanten Weise mit den von den Klägern angebotenen Leistungen in Kontakt gekommen sei, besteht hier trotz erfolgter Abmahnung nicht, weil die Unwahrheit des behaupteten Tatsachenkerns der Äußerung des Bewertenden nicht feststeht und bereits deshalb eine Unterlassungspflicht nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht besteht.