OGH: Zur rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme einer Bankgarantie
Der Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie kann durch eV (einschließlich Zahlungsverbot an den Garanten) nur unter der Voraussetzung gesichert werden, dass der Nichteintritt des Garantiefalls liquide und eindeutig nachgewiesen wird
§ 880a ABGB, § 1295 ABGB, § 381 EO
GZ 1 Ob 44/24p, 27.05.2024
OGH: Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme einer Bankgarantie vorliegt, existiert zwar eine Vielzahl höchstgerichtlicher Entscheidungen. Diese Beurteilung ist eine Frage des Einzelfalls und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO, jedoch hat hier das Rekursgericht diesbezüglich seinen Beurteilungsspielraum in korrekturbedürftiger Weise überschritten:
Bei einer abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch Formulierungen der Zahlungspflicht mit etwa „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendungen“ besonders betont wird. Bei der Abstraktheit der Garantie sind nur solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben. Es ist gerade der Sinn einer solchen Garantie, dem Begünstigten eine sichere und durch Einwendungen nicht verzögerte Zahlung zu gewährleisten. Streitigkeiten sollen erst nach der Zahlung abgewickelt werden.
Rechtsmissbrauch liegt ua dann vor, wenn die Bankgarantie vom Begünstigten für ein Ereignis in Anspruch genommen wird, für das sie nicht übernommen wurde. Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten aus einer Bankgarantie ist dann nicht mehr gegeben und Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, dass er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs kommt es auf den Wissensstand und die Beweislage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie an. Ein Missbrauchsfall liegt nur dann vor, wenn das Nichtbestehen des Anspruchs des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie evident erwiesen ist. Hält sich der Begünstigte hingegen aus vertretbaren Gründen für berechtigt, kann ihm kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. Die Beweislast trifft nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei schon relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch den Ausschlag zugunsten des Rechtsausübenden geben.
Der Anspruch des Garantieauftraggebers (hier: Antragstellerin) gegen den Begünstigten (hier: Antragsgegnerin) auf Widerruf des Abrufs einer Bankgarantie kann durch eV (einschließlich Zahlungsverbot an den Garanten) nur unter der Voraussetzung gesichert werden, dass der Nichteintritt des Garantiefalls liquide und eindeutig nachgewiesen wird.