25.06.2024 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag allenfalls auch dann zustande kommt, wenn der Eigentümer des dienenden Grundstücks ein Verhalten setzt, aus dem sich der rechtsgeschäftliche Wille auf Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht allenfalls ableiten lässt (hier: Versetzen des Grenzzauns), es in weiterer Folge jedoch nicht zur Duldung der Nutzung des dienenden Grundstücks über einen längeren Zeitraum kommt

An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, nach der Rsp „strenge Anforderungen“ zu stellen, zumal schon allgemein bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage „größte Vorsicht“ geboten ist


Schlagworte: Servitut, Ersitzung, schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag, keine Duldung
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 863 ABGB, § 480 ABGB, §§ 1452 ff ABGB

 

GZ 4 Ob 75/24v, 26.04.2024

 

OGH: Der Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist – neben den anderen in § 480 ABGB genannten Fällen – zumeist ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann.

 

An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, nach der Rsp „strenge Anforderungen“ zu stellen, zumal schon allgemein bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage „größte Vorsicht“ geboten ist.

 

Die Beurteilung des Vorliegens einer konkludenten Willenserklärung hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanz vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste, weil den Vorinstanzen eine geradezu unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

 

Die von der Beklagten zur schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit vorgebrachten Argumente können aus folgenden Gründen die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen:

 

Zum einen ist die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die früheren Eigentümer des Grundstücks *2 hätten allein durch das Versetzen des Zauns auf Drängen der Eigentümer des benachbarten Grundstücks *3 eine Servitut nicht schlüssig eingeräumt, im Ergebnis – auch mit Blick auf die weiter oben referierte Rsp – schon deshalb jedenfalls vertretbar, weil dem bloßen Versetzen des Zauns nicht zwingend ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Einräumung einer Dienstbarkeit zugrunde liegen muss. Denkbar wäre auch, dass damit nur die Bewirtschaftung des Grundstücks *3 erleichtert werden, ein Grenzstreit bereinigt oder eine bloße Gefälligkeitshandlung gesetzt werden sollte. Jedenfalls liegt in der Beurteilung der Vorinstanzen keine grobe Fehlbeurteilun, sodass die Rechtsansicht der Vorinstanzen keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

 

Zum anderen muss eine inhaltliche Auseinandersetzung zu Fragen einer schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit im Anlassfall aber auch deshalb unterbleiben, weil bereits das Vorbringen der Beklagten einen konkludent zustande gekommenen Dienstbarkeitsvertrag nicht trägt.

 

Das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung zur Begründung einer Dienstbarkeit muss vom (vermeintlich) Berechtigten behauptet und bewiesen werden. Erstmals in der Berufung erstattete Ausführungen zu einer konkludenten Einräumung einer Dienstbarkeit verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 Abs 1 ZPO).

 

Die Beklagte hat in erster Instanz kein Vorbringen erstattet, aus dem ableitbar gewesen wäre, ihr (bzw ihren Rechtsvorgängern) sei eine Dienstbarkeit konkludent eingeräumt worden. Sie stützte sich lediglich auf eine (letztendlich vom Erstgericht nicht festgestellte) Vereinbarung, wegen der der Begrenzungszaun nach Westen verschoben worden sei. Damit wurde (anders als später in der Berufung und jetzt in der Revision) im Versetzen des Zauns gerade keine schlüssige Willenserklärung gesehen, sondern das Versetzen (nur) als Maßnahme qualifiziert, die die (ausdrücklich) getroffene Vereinbarung umsetzte.

 

Auch iZm der (alternativ) behaupteten Ersitzung eines Wegerechts wirft die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

 

Der Ersitzungsbesitzer hat außer einer Besitzungsübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich und (oder) echt gewesen sei.

 

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger der Beweis der Unterbrechung der Ersitzung gelungen sei, weil hinsichtlich seines Grundstücks in der Zeit von 1975 bis 1993 kein Besitz iSe behaupteten Wegerechts ausgeübt worden sei, begegnet keinen Bedenken. Die in der Revision vertretene Ansicht, dass der Ersitzungsbesitz auch nach 1975 ausgeübt worden sei, entfernt sich von den getroffenen Feststellungen und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen.

 

Die Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Fall die konkret zu berücksichtigenden Umstände die Qualifikation des Verhaltens des Besitzers als redlich oder unredlich fordern, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Ersitzung in der Zeit von 1993 bis 2023 an der Unredlichkeit der Beklagten scheitere, weil dieser vom Kläger im Jahr 2012 mitgeteilt wurde, dass er „das mit dem Wegerecht nicht will“ und „nicht will, dass über [sein] Grundstück zugefahren wird“, ist jedenfalls vertretbar. Dies auch deshalb, weil die Beklagte 2012/2013 den Kläger ausdrücklich um Erlaubnis fragte, dessen Grundstücksstreifen zu betreten, um (temporäre) Verlegungsarbeiten am Grundstück *3 durchzuführen.

 

Auch die Ausführungen zur behaupteten Ersitzung des Gehrechts können die Zulässigkeit der Revision nicht stützen. Das Vorbringen der Revisionswerberin, es lägen keine Feststellungen vor, dass das Gehrecht nicht ausgeübt worden sei, weshalb es zu keiner Unterbrechung gekommen sei, blendet aus, dass der Ersitzungsbesitzer die Besitzungsübung zu beweisen und zu behaupten hat. Das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten zur Besitzausübung beschränkte sich aber ausschließlich auf das Fahrrecht. Damit mussten die Vorinstanzen Fragen zur Ersitzung eines Gehrechts (einschließlich zur Unterbrechung der Ersitzungszeit) gar nicht prüfen.