17.06.2024 Zivilrecht

OGH: Zur Berücksichtigung des „Wohnvorteils“ des Unterhaltspflichtigen

Ein sich allenfalls ergebender Wohnvorteil des Vaters ist durch eine Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage angemessen zu berücksichtigen


Schlagworte: Familienrecht, Kindesunterhalt, Unterhaltsbemessungsgrundlage, Erhöhung, Wohnvorteil, Berücksichtigung, Unterhaltsverpflichteter, Eigenheim, Wohnkosten, Ersparnis, Mietzins
Gesetze:

 

§ 231 ABGB, § 94 ABGB, § 66 EheG

 

GZ 6 Ob 105/23v, 26.04.2024

 

OGH: Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners ist in erster Linie dessen Gesamteinkommen. Nach stRsp bilden Wohnkosten (etwa Betriebskosten, Miete, Kaution, Wohnkreditraten, Wohnungseinrichtungskosten, Wohnungsverbesserungskosten) des Unterhaltsschuldners für die eigene Wohnung grundsätzlich keinen Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die Kosten einer Wohnung betreffen die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Die Unterhaltsbemessung nach der Prozentwertmethode trägt dem Rechnung. Die danach für den Regelfall ermittelte Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt, dass dieser eigene Wohnkosten in Form von laufenden Kreditkosten oder Miete zu tragen hat. Durch den „Wohnvorteil“, der dadurch entsteht, dass der Unterhaltspflichtige seinen Wohnbedarf in einer Wohnung deckt, für die er solche Kosten nicht zu tragen hat, steigt seine Leistungsfähigkeit somit idR an, weil ihm höhere Mittel für andere Ausgaben bleiben. Zutreffend zeigt daher die Lit auf, dass es sachgerecht sein kann, den Unterhaltsberechtigten an der gestiegenen Leistungsfähigkeit aufgrund des „Wohnvorteils“ eines im unbelasteten Eigenheim wohnenden Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen. Im Hinblick auf die jüngere Rsp, wonach das Wohnbedürfnis des Unterhaltsberechtigten auch dann befriedigt ist, wenn er seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt und er auch in diesem Fall nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts bedarf, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken, würde es auch eine Ungleichbehandlung bedeuten, jeglichen „Wohnvorteil“ des Unterhaltspflichtigen außer Betracht zu lassen.

 

Die Berücksichtigung eines allfälligen Wohnvorteils geschieht - wie auch beim Unterhaltsberechtigten - im Allgemeinen durch Anrechnung eines fiktiven Mietwerts in angemessenem Umfang. Wie dem Unterhaltsberechtigten kann auch dem Unterhaltspflichtigen die Vermietung der von ihm bewohnten eigenen Wohnung idR nicht zugemutet werden. Dazu kommt, dass hier der Vater angesichts seiner Einkommensverhältnisse und seiner Sorgepflichten, müsste er eine Wohnung mieten oder kaufen, alleine in bescheideneren Verhältnissen wohnen würde, als nun auf der von seiner Mutter erhaltenen Liegenschaft. Diesen Umständen ist bei der Bemessung des Unterhalts dadurch Rechnung zu tragen, dass lediglich der fiktive Mietzins einer angemessenen kleineren Wohnung herangezogen wird. Mit dem (fiktiven) Mietzins werden regelmäßig auch die vom Vermieter zu tragenden Erhaltungskosten des Bestandobjekts mit abgegolten. Erhaltungskosten fallen hier aber dem Vater für seine Liegenschaft ohnehin an. Zur Vermeidung einer diesbezüglichen „doppelten“ Belastung des Vaters ist dieser fiktive Mietzins daher angemessen zu mindern. Der verbleibende Betrag ist dann als Wohnvorteil zur Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen.