17.06.2024 Zivilrecht

OGH: Auslegung einer im Grundbuch einverleibten Servitutsvereinbarung

Servituten dürfen nicht über die durch den Erwerbstitel gezogene Grenze ausgedehnt werden


Schlagworte: Servitut, Servitutsvereinbarung, Auslegung, Anpassung
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 484 ABGB

 

GZ 5 Ob 41/24a, 13.05.2024

 

OGH: Das Ausmaß der Dienstbarkeit bzw der Umfang der dem Inhaber zustehenden Rechte richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist. Die Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit ist eine Frage des Einzelfalls.

 

Nach dem Wortlaut des Servitutsvertrags haben die Kläger der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten das Recht eingeräumt, eine „Bodenaushubdeponie gemäß dem bezughabenden Deponieprojekt“ zu errichten und sie haben sich zur „Unterlassung der Befahrung und der Begehung während der Errichtung und des Betriebs der Deponie“ verpflichtet. Weiters haben die Kläger der Errichtung, Erhaltung und Pflege einer – näher definierten – ökologischen Ausgleichsfläche „Wasser-wechselnass“ auf ihren Grundstücken durch die Beklagte zugestimmt. Dazu steht außerdem fest, dass die Bodenaushubdeponie „ohne Drainagierung geplant“ und dass (erst) im Dezember 2019 „aus landwirtschaftlichen Überlegungen ein Drainagierungsprojekt samt Entwässerungsentwurf den Grundeigentümern vorgestellt“ wurde. Wenn das Berufungsgericht daher – mit Hinweis auf den Wortlaut des Vertrags und darauf, dass kein anders lautender Parteiwille fest steht, – zu dem Ergebnis kam, dass die Beklagte aus der Servitutsvereinbarung keine taugliche Grundlage für die Errichtung eines Entwässerungsgrabens auf den Grundstücken der Kläger ableiten könne, so ist dies nicht zu beanstanden. Die im Rechtsmittel behauptete „krasse Fehlbeurteilung“ bei der Auslegung des Servitutsvertrags, die die Beklagte nicht näher konkretisiert, liegt nicht vor.

 

Einen Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zur Rsp über eine bloß unbedeutende Änderung der Benutzungsart oder zur Zulässigkeit der Anpassung von Servituten an die fortschreitende technische Entwicklung, zeigt die Beklagte nicht auf: Sie beruft sich selbst nicht auf den Wortlaut des Servitutsvertrags, sondern nur auf das – den Anlass für den Vertragsabschluss bildende – „Großprojekt“ der von ihr zu realisierenden Hochleistungsstrecke. Sie meint, das Berufungsgericht sei von der Rsp zur zulässigen Erweiterung einer Dienstbarkeit abgewichen und sie verweist auf die in diesem Bereich nicht relevante rechtliche Unterscheidung zwischen gemessenen und ungemessenen Dienstbarkeiten. Damit zeigt die Beklagte allerdings weder eine Fehlbeurteilung noch eine erhebliche Rechtsfrage auf, weil das Rechtsmittel nur (zutreffende) allgemeine Aussagen aus höchstgerichtlichen Entscheidungen zitiert, auf den konkret festgestellten Sachverhalt aber nicht eingeht.

 

Auch mit ihren Rechtsausführungen zur Änderung der Benützungsart sowie dazu, dass – selbstverständlich – ein (mit einer Dienstbarkeit belasteter) Grundeigentümer nur dann einen Anspruch auf Unterlassung und/oder Wiederherstellung gegen den Servitutsberechtigten hat, wenn „überhaupt eine unzulässige Erweiterung einer Servitut vorliegt“, wirft die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf: Servituten dürfen nicht über die durch den Erwerbstitel gezogene Grenze ausgedehnt werden. Die angefochtene Entscheidung steht damit und mit der von der Beklagten zitierten Rsp im Einklang.

 

Schließlich beanstandet die außerordentliche Revision „aufzugreifende widersprüchliche Feststellungen“ iSe Feststellungsmangels, mit denen sich das Berufungsgericht zudem „keineswegs ausreichend“ befasst habe. Sie beträfen „die Auslegung des Servitutsvertrags bzw die Kenntnis der Kläger zu dem Umstand, dass der Entwässerungsgraben von Beginn an als Teil des Projekts feststand“. Zur „Auslegung“ des Vertrags können allerdings schon deshalb keine „widersprüchlichen Feststellungen“ vorliegen, weil es sich hierbei um die nicht korrekturbedürftige rechtliche Beurteilung handelt. Mit dem schon in der Berufung behaupteten „Widerspruch“ zur Kenntnis der Kläger hat sich das Berufungsgericht ausreichend und durchaus nachvollziehbar auseinandergesetzt: Es hat ausgeführt, dass die Negativfeststellung zur Frage einer Aufklärung der Kläger durch die Beklagte darüber, dass „abweichend vom Grundeinlöseplan die Herstellung eines Entwässerungsgrabens Gegenstand des Servitutsvertrags werden sollte“, den Zeitraum der Vertragsunterfertigung 2007 betraf, während die Information der Kläger erst 2018 erfolgte. Die Negativfeststellung bedeutet, dass für das Erstgericht zum Vorbringen der Beklagten über eine „Aufklärung“ der Kläger vor Abschluss des Servitutsvertrags ein „non liquet“ vorlag. Damit steht aber die (positive) Feststellung darüber, dass die Kläger (erst) im Jahr 2018 über den von der Beklagten geplanten (und den Grundeigentümern 2019 vorgestellten) Bau eines Entwässerungsgrabens informiert wurden und davon zuvor keine Kenntnis hatten, nicht im Widerspruch. Der behauptete Feststellungsmangel liegt daher ebenfalls nicht vor.