OGH: Zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens
Die Einleitung und Durchführung eines Hauptverfahrens wegen von einer Wiederaufnahme (§ 358 StPO) umfasster Taten ohne neuerliche Einbringung einer Anklage verletzt § 4 Abs 2 StPO
§ 4 StPO, § 210 StPO, § 358 StPO
GZ 14 Os 124/23a, 27.02.2024
OGH: Da das Verfahren durch die Wiederaufnahme - von den Fällen des § 360 StPO abgesehen - in den Stand des Ermittlungsverfahrens, somit in das Verfahrensstadium vor Erhebung der Anklage, tritt und die für das Ermittlungsverfahren und die Anklage geltenden Bestimmungen auch hier anzuwenden sind (§ 358 Abs 2 erster und dritter S StPO), bedarf es für den Beginn des Hauptverfahrens der (neuerlichen) Einbringung einer Anklage (§ 210 Abs 2 StPO). Die Einleitung und Durchführung eines Hauptverfahrens setzen die Rechtswirksamkeit der Anklage voraus (§ 4 Abs 2 StPO), die hier erst nach Durchführung des im 2. Abschnitt des 12. Hauptstücks der StPO geregelten Verfahrens eintreten kann.
Da die Staatsanwaltschaft wegen der von der Wiederaufnahme umfassten Taten nicht neuerlich eine Anklageschrift eingebracht hatte, waren die Einleitung und Durchführung des Hauptverfahrens sowie die Urteilsfällung in diesem Umfang nicht zulässig. Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, sodass ihre Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen war (§ 292 letzter S StPO; Aufhebung des betroffenen Teils des Urteils). Die Nichtigkeitsbeschwerde und seine Berufung sind somit gegenstandslos, soweit sie sich auf diesen Schuldspruch beziehen.
Ein (neuerliches) Hauptverfahren in Ansehung der den Gegenstand der Wiederaufnahme bildenden Taten kann nur nach (neuerlicher) Einbringung einer Anklageschrift beginnen (§ 210 Abs 2 StPO).