04.06.2024 Zivilrecht

OGH: Zur Einbruchdiebstahlversicherung

Das Vorliegen des von §§ 127, 129 StGB geforderten Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzes ist nicht Voraussetzung für die Annahme eines Einbruchsdiebstahls iSd Art I.1.


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Einbruchdiebstahlversicherung, Versicherungsbedingungen, Auslegung, Rechtsbegriffe, eigenständige Definition, Bereicherungsvorsatz
Gesetze:

 

§ 1 VersVG, Art I ASBB, § 127 StGB, § 129 StGB

 

GZ 7 Ob 215/23b, 17.04.2024

 

OGH: Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher idS auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach hA ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten. In Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind daher, wenn sie in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung haben, idS auszulegen.

 

In Art I.1.D.1.1 ASBB wird die versicherte Gefahr als Schaden beschrieben, der durch einen vollbrachten oder versuchten Einbruchsdiebstahl entsteht. Da der Rechtsbegriff des Einbruchsdiebstahls in der Rechtssprache eine bestimmte, unstrittige Bedeutung hat, wäre er grundsätzlich iSd §§ 127, 129 Abs 1 StGB auszulegen. Allerdings enthält Art I.1.D.1.2 ASBB eine eigenständige Definition des Begriffs „Einbruchdiebstahl“, die nicht mit jener in §§ 127, 129 Abs 1 StGB übereinstimmt, sodass hier nicht ohne Weiteres auf den strafrechtlichen Begriffsinhalt abgestellt werden kann.

 

Art I.1.D.1.2 ASBB beschreibt abweichend von § 129 Abs 1 StGB in 6 Ziffern, welche Begehungsformen als Einbruchsdiebstahl iSd Versicherungsbedingungen zu qualifizieren sind, ohne dass ein Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz des Täters ausdrücklich als Voraussetzung angeführt wäre. Demgegenüber wird etwa in Art I.1.F.1.2 ASBB der Begriff der „böswilligen Beschädigung“ als jede vorsätzliche Beschädigung oder Zerstörung von versicherten Sachen durch eine oder mehrere Personen definiert. Für den durchschnittlichen VN ist daher aus dem Wortlaut der Bedingungen nicht ersichtlich, dass neben den in Art I.1.D.1.2 ASBB angeführten Begehungsformen ein Handeln des Täters mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz für die Qualifikation als Einbruchsdiebstahl iSd ASBB erforderlich wäre. Vielmehr geht der durchschnittliche VN ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut der Bedingungen davon aus, dass bei Vorliegen einer der in Art I.1.D.1.2 ASBB genannten Begehungsformen ein Einbruchsdiebstahl iSd Bedingungen vorliegt. Dies gilt umso mehr, als es sich regelmäßig der Kenntnis des VN entzieht, ob der Täter mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzs gehandelt hat. Zusammengefasst ist daher das Vorliegen des von §§ 127, 129 StGB geforderten Zueignungs- und Bereicherungsvorsatzes nicht Voraussetzung für die Annahme eines Einbruchsdiebstahls iSd Art I.1.D.1.2 ASBB.