21.05.2024 Zivilrecht

OGH: § 1319 ABGB iZm umstürzenden Baum

Für die Frage der Haftung nach § 1319 ABGB kommt es nicht auf das Eigentum am Baum an, sondern auf die Haltereigenschaft


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Bauwerkehaftung, umstürzender Baum, unzureichende Wurzelausbildung, erforderliche Sorgfalt, Entlastungsbeweis, Halter, Eigentümer
Gesetze:

 

§ 1319 ABGB

 

GZ 3 Ob 22/24t, 03.04.2024

 

OGH: Schäden, die durch das Umstürzen von Bäumen verursacht werden, sind nach stRsp im Weg der Analogie in den Anwendungsbereich des § 1319 ABGB einzubeziehen. Bei Bäumen liegt der Grund der verschärften Haftung darin, dass infolge eines mangelhaften Zustands eines Baums eine erhöhte Gefährlichkeit bestehen kann. Diese Gefahr kann auf einer mechanischen Verletzung des Baums oder auf einer Krankheit beruhen; dem wird eine – hier vorgelegene – unzureichende Wurzelausbildung gleichgehalten.

 

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist das Berufungsgericht von der Rsp zur Frage, welche Maßnahmen bei Bäumen im Verkehrsbereich gesetzt werden müssen, nicht abgewichen. Die Behauptung der Klägerin, die Baumkontrolle und deren Dokumentation durch die Beklagte habe nicht den einschlägigen ÖNormen entsprochen, widerspricht in wesentlichen Punkten den gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts. Demnach bestanden lediglich Defizite bei Details der Aufzeichnung der Einzelbaumkontrolle, die allerdings nichts daran ändern, dass die aus technischer Sicht notwendigen Untersuchungen durchgeführt und die Prüfungsintervalle eingehalten wurden, ohne dass sich dabei Hinweise auf die Notwendigkeit weiterführender Untersuchungen ergaben. Mit den davon abweichenden Behauptungen führt die Klägerin ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus.

 

§ 1319 ABGB stellt nach stRsp auf einen objektiven Sorgfaltsbegriff ab und normiert eine Gefährdungshaftung. Von dieser kann sich der Halter durch den Beweis befreien, alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet und alle Vorkehrungen getroffen zu haben, die vernünftigerweise nach den Umständen bzw der Auffassung des Verkehrs erwartet werden können. Nach stRsp setzt die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch Vorhersehbarkeit der drohenden Gefahr voraus.

 

Hier steht fest, dass die für das natürliche Baumwachstum schädliche Einschränkung des Standraums des Baums durch die umfassenden Betonmauern „selbst für einen Stadtbaum eine sehr ungewöhnliche Situation“ bedeuteten und diese Einengung des Wurzelbereichs von außen nicht erkannt werden konnte. Dagegen waren für die Kontrolleure „vitale Wurzeln“ in der Grünfläche hinter dem Gehsteig sichtbar und es gab aus technischer Sicht „keine Indikation zur Durchführung weiterführender Untersuchungen“. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die Beklagte sämtliche von ihr zu erwartenden und zur Abwendung erkennbar drohender Gefahren erforderlichen Vorkehrungen getroffen habe, ist daher – entgegen der Rechtsansicht der Klägerin – nicht korrekturbedürftig.

 

Die Klägerin argumentiert, die Beklagte habe Eigentum an der Verkehrsfläche sowie am Baum „jedenfalls durch Ersitzung erworben“ und „daher“ sei ihr auch die falsche Einpflanzung zuzurechnen. Für die Frage der Haftung nach § 1319 ABGB kommt es allerdings nicht auf das Eigentum am Baum an, sondern auf die – von der Beklagten ohnehin nicht bestrittene – Haltereigenschaft. Wer den Baum im Jahr 1964 unsachgemäß einpflanzte, steht nicht fest und dass der Beklagten dieser Umstand unsachgemäßer Einpflanzung bekannt war, behauptet selbst die Klägerin nicht. Die Meinung der Klägerin, die Beklagte selbst habe durch die unsachgemäße Einpflanzung die Gefahrenquelle geschaffen, beruht auf bloßen Vermutungen ohne Deckung im Sachverhalt.

 

Der von der Klägerin zitierten E 6 Ob 549/80 lag ein anderer Sachverhalt zugrunde: Dort war der Stamm des rund 80-jährigen Baums, der das Gebäude der dortigen Kläger beschädigte, durch Pilzbefall zerstört gewesen und bei einem Sturm gebrochen. Der seinerzeitige Aufhebungsbeschluss des OGH diente zur ergänzenden Klärung einerseits der Haltereigenschaft iZm einem die Liegenschaft betreffenden Pachtvertrag und andererseits, ob damals bestandene Zweifel an der Festigkeit und Elastizität des Stamms unter dem Gesichtspunkt des Gelingens des Entlastungsbeweises weiterreichende Untersuchungen erfordert hätten. Aus dieser Entscheidung ist für die Klägerin nichts zu gewinnen und es besteht zwischen dieser und der hier vorgenommenen rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auch kein Widerspruch.