07.05.2024 Verfahrensrecht

OGH: Zur internationalen Zuständigkeit (Gerichtsstand der Schadenszufügung; § 92a JN)

Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist Großbritannien zum Drittstaat geworden; die Zuständigkeit bestimmt sich daher seither nach dem Recht des Mitgliedstaats


Schlagworte: Internationale Zuständigkeit, Gerichtsstand der Schadenszufügung, Handlungsort Produkthaftungsansprüche, Großbritannien, Vereinigtes Königreich, Brustimplantat
Gesetze:

 

§ 92a JN, Art 6 EuGVVO, PHG

 

GZ 3 Ob 232/23y, 28.02.2024

 

OGH: Gem § 92a JN können Klagen, die auf den Ersatz des Schadens gerichtet sind, der aus der Verletzung einer Person entstanden ist, auch bei dem Gericht eingebracht werden, in dessen Sprengel „das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt“ wurde. Die Bestimmung des § 92a JN ist auch auf Ersatzansprüche nach dem PHG anwendbar.

 

Nach der Rsp des OGH ist allerdings beim Auseinanderfallen von Handlungsort und Erfolgsort allein der Ort maßgeblich, an dem das schädigende Verhalten gesetzt wurde. Der Ort, an dem das schädigende Verhalten schließlich seine schadensauslösende Wirkung zeigte oder an dem der Schaden eingetreten ist, hat idZ außer Betracht zu bleiben. Eine örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts für die hier nach dem PHG erhobenen Ansprüche lässt sich daher aus § 92a JN nicht begründen.

 

Soweit der Revisionsrekurs argumentiert, die EuGVVO habe den Schutz von Verbrauchern zum Ziel und der Klägerin „als Konsumentin“ werde durch die Rechtsmeinung des Rekursgerichts der Zugang zum Recht erschwert, wird außer acht gelassen, dass die hier gegenständlichen Ansprüche gerade nicht auf eine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen, sondern allein auf die Haftung der Beklagten als Herstellerin eines fehlerhaften Produkts (hier: Brustimplantat) gestützt werden. Auf die Unternehmereigenschaft der Beklagten kommt es damit nicht an und auf Vorschriften zum „Verbraucherschutz“ kann sich die Klägerin nicht berufen.

 

Die Beklagte hat hier ihren Sitz im Vereinigten Königreich. Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist Großbritannien zum Drittstaat geworden. Die Beklagte hat daher ihren Sitz nicht (mehr) im räumlichen Anwendungsbereich der EuGVVO. Die Zuständigkeit der Gerichte jedes Mitgliedstaats der EU für Klagen gegen einen in einem Drittstaat ansässigen Beklagten bestimmt sich daher - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - seither nach dem Recht des Mitgliedstaats (vgl Art 6 Abs 1 EuGVVO). Die Frage der Zuständigkeit des Erstgerichts ist damit allein nach nationalem Recht zu beurteilen.