30.04.2024 Wirtschaftsrecht

OGH: § 35 Abs 2 Z 2 PSG – zum Auflösungsgrund der Nichterreichbarkeit des Stiftungszwecks

Eine Unmöglichkeit des Erreichens des Stiftungszwecks kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Privatstiftung über kein hinreichendes Stiftungsvermögen (mehr) verfügt; die Nichterreichbarkeit des Stiftungszwecks ist dabei durch Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen; mitunter ist hiefür eine Prognose erforderlich; der Stiftungszweck ist dann nicht mehr erreichbar, wenn nach menschlichem Ermessen auf längere Sicht keine Umstände eintreten werden, die ihn erreichbar machen


Schlagworte: Privatstiftung, Auflösung, Nichterreichbarkeit des Stiftungszwecks, Stiftungsvermögen
Gesetze:

 

§ 35 PSG

 

GZ 6 Ob 3/24w, 20.03.2024

 

OGH: Nach § 35 Abs 2 Z 2 PSG hat der Stiftungsvorstand einen einstimmigen Auflösungsbeschluss zu fassen, sobald der Stiftungszweck erreicht oder nicht mehr erreichbar ist. Kommt ein Beschluss nach § 35 Abs 2 PSG trotz Vorliegens eines Auflösungsgrundes nicht zustande, so kann ua jeder Begünstigte und jeder Stifter die Auflösung durch das Gericht beantragen (§ 35 Abs 3 Satz 1 PSG).

 

Eine Unmöglichkeit des Erreichens des Stiftungszwecks kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Privatstiftung über kein hinreichendes Stiftungsvermögen (mehr) verfügt. Die Nichterreichbarkeit des Stiftungszwecks ist dabei durch Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen. Mitunter ist hiefür eine Prognose erforderlich. Der Stiftungszweck ist dann nicht mehr erreichbar, wenn nach menschlichem Ermessen auf längere Sicht keine Umstände eintreten werden, die ihn erreichbar machen.

 

Ob die Kriterien des § 35 Abs 2 Z 2 PSG erfüllt sind oder nicht, kann regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der maßgebliche Zweck der Privatstiftung sei die Verwaltung des Vermögens des Hauses H*, bestreitet der Revisionsrekurs nicht. Wenn das Berufungsgericht darüber hinaus in Anbetracht des Umstands, dass ein Vermögenserwerb der Privatstiftung – insbesondere im Hinblick auf eine allfällige Fremdfinanzierung des Kaufpreises für die Kulturgüter – nach menschlichem Ermessen nach Klärung der Rechtswirksamkeit der Angebote des Antragstellers in den anhängigen Zivilverfahren sowie allfälliger Folgeverfahren zu deren Durchsetzung eintreten könne, davon ausging, dass der intendierte Stiftungszweck mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht unerreichbar sei, liegt darin keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.

 

Soweit der Revisionsrekurs unter Bezugnahme auf Ausführungen der Privatstiftung in einem Rekurs gegen einen Beschluss des LG Salzburg über den Entzug der Verfahrenshilfe in einem vom Antragsteller gegen die Privatstiftung geführten Verfahren argumentiert, eine Drittfinanzierung sei selbst nach Ansicht der Privatstiftung ausgeschlossen, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich deren Ausführungen auf die Drittfinanzierung des (dortigen) Prozesses und nicht auf die Drittfinanzierung der Annahme des Kaufangebots beziehen.

 

Es ist zwar richtig, dass die Frage, ob der Prognose zur Unmöglichkeit des Erreichens des Stiftungszwecks nach § 35 Abs 2 Z 2 PSG der Maßstab der überwiegenden oder der hohen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen ist, vom OGH bislang nicht beantwortet wurde. Allerdings zeigt der Antragsteller auch damit keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil das Rekursgericht im Rahmen seines Ermessensspielraums ohnehin nicht einmal mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen hat, dass der Stiftungszweck unerreichbar wäre.