VwGH: Begründete Bedenken iSd § 24 Abs 4 FSG iZm § 14 Abs 5 FSG
Ein Aufforderungsbescheid ist nur zulässig, wenn begründete Bedenken dahin bestehen, dass einerseits ein Konsum von Alkohol, Suchtmitteln oder Arzneimitteln stattgefunden hat, und andererseits, dass dieser Konsum eine Häufigkeit und Intensität aufwies, die ihn zu einem gehäuften Missbrauch iSd § 14 Abs 5 FSG-GV macht
§ 24 FSG, § 14 FSG-GV
GZ Ra 2021/11/0094, 14.02.2024
VwGH: Nach stRsp des VwGH ist ein Aufforderungsbescheid gem § 24 Abs 4 FSG nur dann zulässig, wenn aktuelle begründete Bedenken in die Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige aktuelle Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen.
Die nachvollziehbare Darlegung begründeter Bedenken schon im Aufforderungsbescheid ist Voraussetzung für dessen Rechtmäßigkeit. Zweck der amtsärztlichen Untersuchung ist es nicht etwa, erst abzuklären, ob begründete Bedenken überhaupt bestehen; vielmehr soll in Gutachten geklärt werden, ob die Bedenken zutreffen oder nicht, ob beim Betreffenden also die gesundheitliche Eignung weiterhin gegeben ist.
Nach der Jud des VwGH schließt gem § 14 Abs 5 FSG-GV auch eine in der Vergangenheit liegende Abhängigkeit oder ein in der Vergangenheit erfolgter gehäufter Missbrauch die Annahme einer uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus. In solchen Fällen liegt gem § 8 Abs 3 Z 2 FSG eine nur bedingte gesundheitliche Eignung vor. Im Hinblick darauf ist aber davon auszugehen, dass auch eine Abhängigkeit oder ein gehäufter Missbrauch, die bzw der in der Vergangenheit vorlag, Bedenken ob der gesundheitlichen Eignung auslösen können. Dies hat zur Konsequenz, dass auch in solchen Konstellationen ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs 4 FSG zur Sicherstellung der in § 14 Abs 5 FSG-GV angeordneten Vorgangsweise in Betracht kommt. Ein Aufforderungsbescheid ist allerdings - wie bereits ausgeführt - nur zulässig, wenn begründete Bedenken dahin bestehen, dass einerseits ein Konsum von Alkohol, Suchtmitteln oder Arzneimitteln stattgefunden hat, und andererseits, dass dieser Konsum eine Häufigkeit und Intensität aufwies, die ihn zu einem gehäuften Missbrauch iSd § 14 Abs 5 FSG-GV macht.
Diese Ausführungen gelten nicht nur für die Aufforderung, sich der amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sondern auch für die (gleichfalls in § 24 Abs 4 FSG geregelte) Aufforderung, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (fallbezogen: Haaranalyse betreffend den Konsum illegaler Suchtmittel) beizubringen.
Im Revisionsfall lagen die Voraussetzungen für den Verdacht auf einen gehäuften Missbrauch iSd § 14 Abs 5 FSG-GV und damit für begründete Bedenken iSd § 24 Abs 4 FSG nicht vor:
Der Revisionswerber rügt zunächst zu Recht, dass keine schriftlichen Aufzeichnungen des Amtsarztes über die Untersuchung vom 9. September 2020 vorliegen. Solche sind dem Verwaltungsakt auch nicht zu entnehmen. In seiner zu dieser Untersuchung vom VsG angeforderten Stellungnahme vom 7. Dezember 2020 versäumte der Amtsarzt, näher die Gründe darzulegen, auf die sich sein Eindruck, der Revisionswerber weise ein kachektisches Zustandsbild auf, stützte. Bereits in seiner Stellungnahme vom 12. Jänner 2021, aber auch in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2021 ist der Revisionswerber der unbegründet gebliebenen Annahme einer Kachexie durch Angaben über seine Körpergröße und sein Gewicht, nach denen er nicht einmal untergewichtig, geschweige denn kachektisch sei, substantiiert entgegengetreten. Mit diesen Ausführungen setzte sich das VwG in seiner Beweiswürdigung jedoch nicht auseinander.
Weiters scheinen im Verwaltungsakt - wie die Revision zutreffend aufzeigt - keine Aufzeichnungen über die vom Revisionswerber zum Drogenkonsum laut Stellungnahme des Amtsarztes getätigten „vagen, widersprüchlichen und unklaren“ Aussagen auf. Schließlich ist auch die Ausführung in der psychiatrischen Stellungnahme vom 20. Dezember 2019, dass die weitere (befristete) Erteilung der Lenkberechtigung zu befürworten sei, wenn die geplante Haaranalyse einen unauffälligen Befund ergebe, unbegründet geblieben.
Angesichts dieser Begründungsmängel ist lediglich von der unbestrittenen Feststellung auszugehen, der Revisionswerber habe in der Zeit vor dem Vorfall am 4. Mai 2019 „Cannabis konsumiert“. Diese reicht jedoch mangels weiterer Anhaltspunkte nicht aus, darauf begründete Bedenken dahin zu stützen, dass dieser Konsum öfter als gelegentlich stattfand und somit eine Häufigkeit und Intensität aufwies, die ihn zu einem gehäuften Missbrauch iSd § 14 Abs 5 FSG-GV machte.