23.04.2024 Verfahrensrecht

OGH: Zulässigkeit des Rechtswegs iZm Änderung des Nutzflächenschlüssels (§ 16 WGG) ?

Mit ihrem in ein Feststellungsbegehren gekleideten Sachantrag strebt die Klägerin nichts anderes an, als die Feststellung des Aufteilungsschlüssels für die Betriebskosten, den die Beklagte künftigen Abrechnungen zugrunde zu legen hat; dafür ist der streitige Rechtsweg nicht zulässig


Schlagworte: Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Zulässigkeit des Rechtswegs, Änderung des Nutzflächenschlüssels, Betriebskosten
Gesetze:

 

§ 22 WGG, § 16 WGG, § 40a JN, § 1 AußStrG

 

GZ 9 Ob 63/23i, 18.03.2024

 

OGH: Ob über einen konkreten Rechtsschutzantrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Behauptungen der das Verfahren einleitenden Partei. Von Bedeutung ist die Natur bzw das Wesen des erhobenen Anspruchs, nicht aber die Behauptungen des Gegners oder ob der Anspruch begründet ist. Ohne Einfluss sind auch vom Gericht getroffene Feststellungen.

 

Diese allgemeinen Grundsätze werden auch durch § 22 WGG nicht berührt. Der streitige Rechtsweg ist in den Angelegenheiten ausgeschlossen, die von § 22 Abs 1 WGG erfasst sind. Den Anteil eines Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstands an den Gesamtkosten des Hauses regelt Art 1 § 16 WGG. Damit zusammenhängende Fragen gehören nach Art I § 22 Abs 1 Z 7 WGG in das Verfahren außer Streitsachen.

 

Von § 22 Abs 1 WGG erfasste Ansprüche sind ausnahmsweise im streitigen Rechtsweg durchzusetzen, wenn es um die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche geht, die über die in den gesetzlichen Bestimmungen des WGG normierten Rechte oder Pflichten hinausgehen. Dafür werden konkrete bindende Absprachen gefordert, die über die im Gesetz genormten Inhalte eines jeden Mietvertrags hinausgehen. Stellt eine vertragliche Bestimmung hingegen nur die Ausformung ohnedies bestehender gesetzlicher Grundlagen dar, wird das Begehren in Wahrheit auf gesetzliche Grundlagen gestützt.

 

Die Klägerin hat in der Klage vorgebracht, dass ihr Anteil an den Betriebskosten „seit jeher“ 6,5392 % betragen habe. Diesen Anteil habe die Beklagte mit Vorschreibung ab 1. 1. 2021 auf 7,1221 % erhöht und habe dies mit einer Änderung des Nutzflächenschlüssels aufgrund einer zusätzlichen Vermietung einer Allgemeinfläche begründet. Der Abstellraum 8 – den die Klägerin vorübergehend einer Nachbarin zur Verfügung gestellt habe – sei jedoch immer an die Klägerin vermietet gewesen, zu einer zusätzlichen Vermietung sei es nicht gekommen. In einem zwischen den Parteien geführten Vorverfahren sei festgestellt worden, dass sich die Mietrechte der Klägerin über die von ihr gemietete Wohnung hinaus auf den im selben Stockwerk des Hauses gelegenen Abstellraum erstrecken.

 

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin entgegen ihren Rekursausführungen mit diesem Vorbringen gerade keine Vereinbarung zwischen ihr und der Beklagten behauptet, die über die in den gesetzlichen Bestimmungen des WGG normierten Rechte oder Pflichten hinausginge. Da sie selbst ausführt, keine von den gesetzlichen Vorgaben des § 16 Abs 1 oder 3 WGG abweichende Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssels mit allen Mietern zu behaupten, stützt sie sich im Ergebnis für ihren Anspruch auf die gesetzlichen Grundlagen. Mit ihrem in ein Feststellungsbegehren gekleideten Sachantrag strebt die Klägerin nichts anderes an, als die Feststellung des Aufteilungsschlüssels für die Betriebskosten, den die Beklagte künftigen Abrechnungen zugrunde zu legen hat. Dafür ist der streitige Rechtsweg nicht zulässig.

 

Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist eine absolute, in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung auch von Amts wegen wahrzunehmende Prozessvoraussetzung. Eine Verletzung der Grenzen des streitigen Rechtswegs bewirkt Nichtigkeit. Die bloß implizite Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs durch die meritorische Behandlung des Begehrens (durch das Erstgericht) reicht für die Annahme einer Entscheidung mit bindender Wirkung nach § 42 Abs 3 JN nicht aus. Vor diesem Hintergrund ist auf den von der Rekurswerberin behaupteten „unauflöslichen Konnex“ zwischen Leistungs- und Feststellungsbegehren nicht weiter einzugehen.

 

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klage zurückzuweisen ist, weil eine Überweisung der Sache an die Schlichtungsstelle nicht in Frage kommt, stellt die Rekurswerberin nicht in Frage.