OGH: Zum erweiterten Vorkaufsrecht
Die gesetzliche Erbfolge löst - anders als etwa das Vermächtnis oder die Schenkung auf den Todesfall - den Vorkaufsfall nicht aus, weil mangels letztwilliger Verfügung gerade keine „andere Veräußerungsart“ vorliegt
§§ 1072 ff ABGB, § 1078 ABGB
GZ 5 Ob 129/23s, 12.03.2024
OGH: Ist eine Sache mit einem (reinen) Vorkaufsrecht iSd § 1072 ABGB belastet, dann bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrags den Vorkaufsfall. Die Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ iSd § 1078 ABGB bedarf einer besonderen Vereinbarung. Liegt eine Vereinbarung vor, nach welcher sich das Vorkaufsrecht auch auf „andere Veräußerungsarten“ erstrecken soll („erweitertes Vorkaufsrecht“), dann kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Anbotsverpflichtung bei jeder Veräußerung oder nur bei bestimmten Veräußerungsarten besteht.
Ein erweitertes Vorkaufsrecht kann sich nur auf solche „andere Veräußerungsarten“ erstrecken, die als zulässig angesehen werden. Andere Veräußerungsarten iSd § 1078 ABGB sind alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und die Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken, und zwar auch Vertragstypen, bei denen sich aus dem Vertragsinhalt ergibt, dass die typischen Vertragszwecke im besonderen Maß an der Person des Partners oder an der von ihm zu erbringenden individuellen Gegenleistung orientiert sind, denen somit typischerweise immaterielle, an die Person des Erwerbers gebundene Motive zugrunde liegen oder die typischerweise auf eine nicht substituierbare Gegenleistung gerichtet sind. Der Vorkaufsfall wird dabei nicht schlechthin durch jeden Übergang der belasteten Liegenschaft auf einen neuen Eigentümer ausgelöst, sondern nur, wenn dieser Übergang auf einem „Geschäft“, also auf einer rechtsgeschäftlichen, allenfalls auch letztwilligen Verfügung des Vorkaufsverpflichteten beruht.
Daher werden die Ersitzung und die gesetzliche Erbfolge nicht zu den „anderen Veräußerungsarten“ gezählt. Die gesetzliche Erbfolge löst, weil mangels letztwilliger Verfügung gerade keine solche Übertragung vorliegt, den Vorkaufsfall - anders als etwa das Vermächtnis oder die Schenkung auf den Todesfall - nicht aus. Auch der Grundsatz, dass zu den anderen Veräußerungsarten alle Geschäfte zählen, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und die Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken, ist vor diesem Hintergrund zu verstehen: Es geht dabei zwar in erster Linie um Rechtsgeschäfte, die im Weg einer Einzelrechtsnachfolge das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und die Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken und nicht Kauf sind. Maßgeblich ist, dass die Übertragung iSd Änderung der Eigentumsverhältnisse auf dem rechtsgeschäftlichen Willen des Vorkaufsverpflichteten beruht. Daher bilden etwa auch die Spaltung durch Gesamtrechtsnachfolge und der Erbschaftskauf eine andere Veräußerungsart iSd § 1078 ABGB.