09.04.2024 Strafrecht

OGH: Zu zivilrechtlichen Ansprüchen des Haftungsbeteiligten im Strafverfahren

Der Anspruch nach § 373b StPO besteht nicht nur bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung, sondern auch dann, wenn sich der Verurteilte oder (im selbständigen Verfallverfahren) ein Haftungsbeteiligter in vollstreckbarer Form, also insbesondere mit gerichtlichem Vergleich, zum Ersatz der Folgen jener Straftat verpflichtet hat, deretwegen auf Verfall erkannt wurde


Schlagworte: Verfall, Einziehung, Opfer, Entschädigung, Verfallsbeteiligter, Haftungsbeteiligter, zivilrechtliche Ansprüche, Bereicherungsanspruch, Bund, Republik, Straftat
Gesetze:

 

§§ 20 ff StGB, § 373b StPO, § 444 StPO

 

GZ 1 Ob 101/23v, 05.03.2024

 

OGH: Nach § 444 Abs 2 StPO steht es Haftungsbeteiligten, die ihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Verfall, den erweiterten Verfall oder die Einziehung geltend machen, frei, ihre Ansprüche binnen 30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Der Anspruch richtet sich auf Herausgabe des Gegenstands oder auf Herausgabe des Verkaufs- oder Verwertungserlöses. Wurde ein Geldbetrag (Bargeld, Kontoguthaben) für verfallen erklärt und eingetrieben, dann richtet sich der Anspruch auf Rückzahlung (Herausgabe der Bereicherung). Der Anspruch nach § 444 Abs 2 StPO ist der Sache nach daher ein Bereicherungsanspruch und im Zivilrechtsweg durchzusetzen. Seine Grundlage ist, dass der Verfall oder die Einziehung erfolgten, obwohl die Voraussetzungen dafür in Wahrheit nicht vorlagen. Ob das zutrifft, hat dann das Zivilgericht im Zivilprozess als Vorfrage zu beurteilen.

 

Nach § 373b StPO hat im Fall eines Verfalls nach § 20 StGB oder eines erweiterten Verfalls nach § 20b StGB und wenn dem Opfer eine Entschädigung zwar rechtskräftig zuerkannt, aber noch nicht geleistet worden, ist, das Opfer das Recht zu verlangen, dass seine Ansprüche aus dem vom Bund vereinnahmten Vermögenswert befriedigt werden. Voraussetzung für einen Anspruch des Opfers nach § 373b StPO ist einerseits, dass das Strafgericht auf Verfall entschieden und der Bund den Vermögenswert vereinnahmt hat; weiters muss der Anspruch aus derselben Tat resultieren, die auch dem Verfall zugrunde lag.

 

Andererseits muss die Entschädigung dem Opfer „rechtskräftig zuerkannt“ worden sein. Das Gesetz lässt dabei offen, gegen wen diese Zuerkennung erfolgt sein muss. IdR wird es zwar der Angeklagte (Täter) sein. Im Fall eines selbständigen Verfallverfahrens muss es aber auch ausreichen, wenn das Opfer einen Titel gegen einen vom Verfall betroffenen Haftungsbeteiligten erwirkt. § 373b StPO stellt nach seinem Wortlaut darauf ab, dass dem Opfer eine Entschädigung „rechtskräftig zuerkannt“ wurde. Daraus ist aber noch nicht zwingend zu schließen, dass der Anspruch nur bei Vorliegen einer rechtskräftigen (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Entscheidung bestehen soll. Der Anspruch nach § 373b StPO besteht nicht nur bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung, sondern auch dann, wenn sich der Verurteilte oder (im selbständigen Verfallverfahren) ein Haftungsbeteiligter in vollstreckbarer Form, also insbesondere mit gerichtlichem Vergleich, zum Ersatz der Folgen jener Straftat verpflichtet hat, deretwegen auf Verfall erkannt wurde.