02.04.2024 Verfahrensrecht

OGH: Zum Gerichtsstand des § 29 Abs 2 DSG

Das Medienprivileg nach § 9 Abs 1 DSG bewirkt, dass die Zuständigkeit nach § 29 Abs 2 DSG in einem Verfahren gegen eine Medieninhaberin keine Anwendung findet, soweit die Daten zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeitet wurden


Schlagworte: Datenschutzrecht, örtliche Zuständigkeit, Klage, Datenverarbeitung, Weitergabe, Schadenersatz, Medienunternehmen, Medienprivileg, journalistische Zwecke
Gesetze:

 

Art 79 DSGVO, § 9 DSG, § 29 DSG

 

GZ 6 Ob 236/23h, 21.02.2024

 

OGH: Gem Art 79 Abs 2 DSGVO sind für Klagen gegen einen Verantwortlichen oder gegen einen Auftragsverarbeiter iSd DSGVO die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter eine Niederlassung hat. Es können solche Klagen aber auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem die betroffene Partei ihren Aufenthaltsort hat. § 79 Abs 2 DSGVO regelt allein die internationale, nicht aber auch die (nationale) örtliche Zuständigkeit.

 

Die örtliche Zuständigkeit wird im nationalen Recht im DSG normiert. Nach § 29 Abs 2 DSG ist für Klagen auf Schadenersatz in erster Instanz das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel der Kläger (Antragsteller) seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat. Klagen (Anträge) können aber auch bei dem Landesgericht erhoben werden, in dessen Sprengel der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz oder eine Niederlassung hat (§ 29 Abs 2 DSG).

 

Allerdings nimmt das Medienprivileg in § 9 Abs 1 DSG Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes iSd MedienG ganz pauschal von fast allen Bestimmungen der DSGVO und des DSG aus, soweit sie Daten zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeiten. Mit dieser Bestimmung machte der österreichische Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 85 Abs 2 DSGVO Gebrauch.

 

Das Medienprivileg nach § 9 Abs 1 DSG bewirkt damit (soweit im vorliegenden Verfahren von Belang), dass die im DSG verankerte Norm über die Zuständigkeit gem § 29 Abs 2 DSG in einem Verfahren gegen eine Medieninhaberin keine Anwendung findet, soweit diese Daten zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeitete.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 14. 12. 2022, G 287, 288/2022, § 9 Abs 1 DSG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit 30. 6. 2024 in Kraft tritt, die Vorschrift ist aber im vorliegenden Fall noch anzuwenden. Die Frage, ob das Medienprivileg (auch) unionsrechtswidrig ist, wird im Verfahren in der Hauptsache aufzugreifen und zu klären sein. Die sich im Zuständigkeitsstreit allein ergebende Auswirkung der Geltung von § 9 Abs 1 DSG, dass ein Kläger gehalten sein kann, den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter iSd DSGVO vor einem anderen inländischen Gericht als dem seines Aufenthalts zu klagen, ist jedenfalls nicht unionsrechtswidrig.