19.03.2024 Zivilrecht

OGH: Zur Mietzinsminderung wegen COVID-19 („Bekleidungsgeschäft“)

Bloß das Kundenverhalten beeinflussende Ursachen des Umsatzrückgangs („Abstandsregeln“) schränken die Nutzungsmöglichkeit des konkreten Bestandobjekts nicht (unmittelbar) ein


Schlagworte: Mietrecht, Geschäftsraummiete, COVID-19, Pandemie, Bestandobjekt, Unbrauchbarkeit, Mietzinsminderung, Abstandregeln, Maskenpflicht, Umsatzrückgang, Bekleidungsgeschäft
Gesetze:

 

§ 1096 ABGB, §§ 1104 f ABGB

 

GZ 4 Ob 143/23t, 20.02.2024

 

OGH: Zu den in § 1104 ABGB ausdrücklich genannten Elementarereignissen gehört die „Seuche“, und COVID-19 ist ein solcher Fall. Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands vorliegt, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Unter behördlichen Maßnahmen, mit denen Umsatzeinbußen als „konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjektes“ einhergehen, sind grundsätzlich nicht nur Betretungsverbote zu verstehen, sondern auch mit weniger gravierenden Folgen verbundene (aber ebenfalls durch die Pandemie verursachte) behördliche Eingriffe wie etwa Zutrittsbeschränkungen durch die Begrenzung der zulässigen Kundenzahl und die Anordnung von einzuhaltenden Mindestabständen. Demgegenüber sind allfällige etwa maskenbedingte Unlustgefühle der Kunden deren individueller Sphäre zuzuordnen.

 

Hier war der vereinbarte Bestandzweck die Verwendung des Geschäftslokals als Bekleidungsgeschäft. Dazu hat der OGH bereits ausgesprochen, dass ein erheblicher Rückgang des Geschäftserfolgs des Bestandnehmers nicht schon per se eine Mietzinsreduktion rechtfertigt, sondern nur dann, wenn er auf einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen des Bestandgebers oder zumindest auf einer nach der Wertung der §§ 1104 f ABGB dem Bestandgeber zuzurechnenden Einschränkung beruht.

 

Hingegen sind Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters, die eine unmittelbare Folge der COVID-19-Pandemie sind und die sämtliche Unternehmer wie (auch) den Mieter des Geschäftslokals, insbesondere dessen gesamte Branche, allgemein und insgesamt treffen, dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und daher für den zu zahlenden Mietzins nicht relevant; solche Auswirkungen der Pandemie sind keine Gebrauchsbeeinträchtigungen des vom Vermieter vereinbarungsgemäß zur Verfügung zu stellenden Objekts.

 

Besteht also kein behördlich angeordnetes Betretungsverbot für ein konkretes Geschäftslokal, sodass es dem Mieter möglich war, seine Waren im Geschäft anzubieten, Kunden in Präsenz zu beraten und Verkäufe abzuwickeln, dann waren für Umsatzrückgänge ausschließlich Umstände und Maßnahmen ursächlich, die unmittelbar nur das Verhalten potenzieller Kunden beeinflussten und sich nicht auf das konkrete Bestandobjekt bezogen. Insbesondere verhinderte der Umstand, auf den die Umsatzrückgänge hier nach den Behauptungen der Revision zurückzuführen gewesen seien (Abstandsregeln), nicht (ganz oder auch nur teilweise) den Zugang zum Geschäftslokal oder den Kundenverkehr darin. Solche bloß das Kundenverhalten beeinflussende Ursachen des Umsatzrückgangs schränkten somit die Nutzungsmöglichkeit des konkreten Bestandobjekts nicht (unmittelbar) ein.