OGH: Seit dem 2.ErwSchG gilt die vertretene Person im Erwachsenenschutzrecht stets als verfahrensfähig und soll Adressat der gerichtlichen Zustellungen sein
Ein Vertreter bzw Rechtsbeistand schränkt die Möglichkeit der betroffenen Person nicht ein, im Verfahren selbständig zu handeln; sie kann selbständig eigene Verfahrenshandlungen neben dem Vertreter vornehmen
§ 116a AußStrG, § 139 AußStrG, § 132 AußStrG
GZ 8 Ob 106/23f, 13.12.2023
OGH: Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Genehmigung einer Rechtshandlung in Vermögensangelegenheiten finden sich in § 132 AußStrG, somit im 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG unter der Überschrift „Vermögensrechte von Personen unter gesetzlicher Vertretung“. Nach § 139 Abs 1 AußStrG sind der vertretenen Person sämtliche Beschlüsse über die nach dem 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG (§§ 132 bis 138 AußStrG) getroffenen Maßnahmen zuzustellen. § 116a AußStrG findet sinngemäße Anwendung, weil auch Verfügungen nach diesem Hauptstück (zB Genehmigungen von Rechtshandlungen in der Vermögenssorge) die vertretene Person – wie Erwachsenenschutzverfahren – unmittelbar in ihrer Rechtssphäre berühren. Sie soll daher stets als verfahrensfähig gelten und Adressat der gerichtlichen Zustellungen sein. Die betroffene (= vertretene) Person ist demgemäß Partei des Verfahrens nach § 132 AußStrG, ihr ist rechtliches Gehör zu gewähren.
Gem § 116a AußStrG kann die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen. Sie kann daher im gesamten Verfahren selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Ein Vertreter bzw Rechtsbeistand (vgl § 119 AußStrG) schränkt die Möglichkeit der betroffenen Person nicht ein, im Verfahren selbständig zu handeln. Damit schließt der in § 119 AußStrG geschaffene Vertretungszwang die Fähigkeit der betroffenen Person, eigene Verfahrenshandlungen neben dem Vertreter vorzunehmen, nicht aus.
Somit steht der betroffenen bzw vertretenen Person in einem Verfahren nach § 132 AußStrG nicht nur ein eigenes Rechtsmittelrecht, sondern auch ein Recht auf Einbringung einer Rechtsmittelbeantwortung zu.
Das Erstgericht wird daher den Revisionsrekurs an die Betroffene zur allfälligen Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung zuzustellen haben, wobei die Betroffene darüber zu belehren sein wird, dass sie sich im (ihre Vermögensrechte betreffenden) Revisionsrekursverfahren gem § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen muss.
Erst nach Einlangen einer Rechtsmittelbeantwortung bzw nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Frist wird der Akt neuerlich dem OGH vorzulegen sein.