05.03.2024 Zivilrecht

OGH: Zur „Geringfügigkeit des Entgeltes“ bei der Bittleihe

Geht das Gericht unter Anwendung des § 273 ZPO - ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens - von einer offenkundigen Unwesentlichkeit des zu zahlenden Betrags aus, so muss die Anwendbarkeit des § 273 ZPO mit Mängelrüge bekämpft werden


Schlagworte: Bittleihe, Prekarium, Widerruflichkeit, geringfügiges Entgelt, 10 %, ortsüblicher Mietzins, Ausmittlung, richterliches Ermessen, Anfechtung, Verfahrensmangel, Mängelrüge
Gesetze:

 

§ 974 ABGB, § 273 ZPO, § 496 ZPO

 

GZ 5 Ob 212/23x, 30.01.2024

 

OGH: Gem § 974 ABGB liegt ein Prekarium vor, wenn weder die Dauer noch die Absicht des Gebrauchs vereinbart werden. Es handelt sich dabei um eine Abart der Leihe. Der Unterschied zum Leihvertrag nach § 971 ABGB besteht darin, dass der Verleiher die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern kann. Die Gestattung der Benützung nur gegen jederzeitigen Widerruf ist das entscheidende Kriterium für die Annahme eines Prekariums. Allerdings bildet nur die idR unentgeltliche Einräumung eines Rechts gegen jederzeitigen, in der Willkür des Einräumenden gelegenen Widerruf ein Prekarium.

 

Die Entrichtung eines Entgelts schließt ein Prekarium nicht schlechthin aus, doch muss es so geringfügig sein, dass es gegenüber dem Wert der Benützung wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt. Dabei ist auf die Verhältnisse bei Vertragsabschluss abzustellen und grundsätzlich zu prüfen, welcher ortsübliche Hauptmietzins zuzüglich Betriebskosten für das Objekt damals erzielbar gewesen wäre. In der höchstgerichtlichen Rsp wird etwa ein Betrag von 10 % des ortsüblichen Mietzinses als bloßer Anerkennungsbetrag qualifiziert. Die Entscheidung darüber, ob aufgrund des erhobenen Sachverhalts eine Bittleihe vorliegt, ist zwar eine revisible Rechtsfrage, die aber von den Umständen des Einzelfalls abhängt und daher nur dann aufzugreifen ist, wenn den Vorinstanzen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Dies ist hier nicht der Fall:

 

Für eine Fläche von 430 m² (davon 43,76 m² verbaut) waren hier im Jahr 2002 € 213,81 jährlich zu entrichten, somit monatlich € 17,81, was das Erstgericht als geringfügig iSd Rsp und daher der Qualifikation eines Prekariums nicht entgegenstehend wertete. Eine ausdrückliche Feststellung des bei Überlassung der Fläche angemessenen ortsüblichen Mietzinses traf das Erstgericht nicht, sondern ging - der Sache nach unter Anwendung des § 273 ZPO - ohne Einholung eines (ohnedies nicht beantragten) Sachverständigengutachtens von einer offenkundigen Unwesentlichkeit des zu zahlenden Betrags aus.

 

Die Entscheidung, ob § 273 ZPO angewendet werden darf, ist rein verfahrensrechtlicher Natur. Wurde die Anwendbarkeit des § 273 ZPO zu Unrecht bejaht oder verneint, müsste dies mit Mängelrüge bekämpft werden, die hier im Berufungsverfahren nicht erhoben wurde. Wollte man in der Entscheidung des Berufungsgerichts inhaltlich die Billigung der Anwendung des § 273 ZPO erkennen, wäre im Übrigen eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren ausgeschlossen.