26.02.2024 Sicherheitsrecht

VwGH: Zur Frage, ob eine massive und über einen langen Zeitraum andauernde Lärmbelästigung von Nachbarn vertretbarerweise als gefährlicher Angriff iSd § 16 Abs 2 SPG bzw als Körperverletzung iSd § 83 Abs 1 StGB und damit als gefährlicher Angriff beurteilt werden kann

Die Verwirklichung des Tatbestands der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB bildet einen gefährlichen Angriff nach § 16 Abs 2 SPG; dass eine § 83 Abs 1 StGB zu unterstellende Schädigung eines anderen an der Gesundheit auch in einer rein psychischen Einwirkung liegen kann, ist in der Rsp des OGH jedenfalls für Zustände anerkannt worden, welchen Krankheitswert im medizinischen Sinn zukommt


Schlagworte: Sicherheitspolizeirecht, gefährlicher Angriff, Körperverletzung, über langen Zeitraum andauernde Lärmbelästigung, gewaltsame Öffnung der Eingangstüre, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Maßnahmenbeschwerde
Gesetze:

 

§ 16 SPG, § 83 StGB, § 39 SPG, § 50 SPG

 

GZ Ro 2023/01/0012, 21.11.2023

 

VwGH: Nach § 39 Abs 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, ua Räume zu betreten, sofern dies zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs erforderlich ist.

 

Diese Bestimmung begründet (iVm § 50 SPG) nach der Rsp des VwGH die Befugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, wegen des Verdachts des Vorliegens eines gefährlichen Angriffs nach § 16 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 SPG eine Eingangstüre gewaltsam zu öffnen, um in der Folge eine Wohnung ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten zu betreten und dort zu verweilen.

 

Ein gefährlicher Angriff ist nach § 16 Abs 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestands einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen ua von dessen Z 1 erfassten Straftatbestand nach dem StGB handelt.

 

Dies trifft auf den Tatbestand der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu, sodass dessen rechtswidrige Verwirklichung einen gefährlichen Angriff nach § 16 Abs 2 SPG bildet.

 

Dass eine § 83 Abs 1 StGB zu unterstellende Schädigung eines anderen an der Gesundheit auch in einer rein psychischen Einwirkung liegen kann, ist in der Rsp des OGH jedenfalls für Zustände anerkannt worden, welchen Krankheitswert im medizinischen Sinn zukommt.

 

Nach den Feststellungen des VwG gingen die einschreitenden Organe wegen der bereits langfristig erfolgten vehementen Beschallung der Nachbarn durch den Revisionswerber sowie der bei diesen dadurch bereits hervorgerufenen Leiden (ua Depression und Migräne) von einem gefährlichen Angriff nach § 16 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 SPG wegen Verwirklichung des Tatbilds der Körperverletzung gem § 83 Abs 1 StGB aus. Mit Blick auf das Vorgesagte fehlte es nicht an Rsp des VwGH zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt aus diesem Anlass.

 

Im Übrigen zeigt der Revisionswerber mit seinen allgemein gehaltenen Ausführungen zur Unverhältnismäßigkeit der Anwendung der Befehls- und Zwangsgewalt fallbezogen auch nicht auf, dass das VwG von der Rsp des VwGH unvertretbar abgewichen wäre. Soweit er die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme aus dem Umstand ableiten will, dass die Beendigung der Beschallung auch durch eine Sicherstellung der Wiedergabegeräte des Revisionswerbers als gelinderem Mittel hätte erreicht werden können, ist ihm zu entgegnen, dass dem hier gegenständlichen Einschreiten bereits zwei solche Sicherstellungen vorangegangen waren.