19.02.2024 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: § 44a VStG; § 50 VwGVG – besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft, handelt, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit

Wenn das VwG die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belBeh als unbegründet abgewiesen hat, ist dies derart zu werten, dass das VwG ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hat, das an die Stelle des beim VwG bekämpften Bescheides tritt


Schlagworte: Spruch, Rechtsmittel, Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, Kognitionsbefugnis des VwG
Gesetze:

 

§ 44a VStG, § 50 VwGVG

 

GZ Ra 2022/05/0020, 27.11.2023

 

Die Amtsrevision, bringt ua vor, das VwG habe entgegen näher genannter Rsp die „Sache“ des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überschritten und sei von näher genannter Rsp zur Kognitionsbefugnis des VwG, zum Widerspruch zwischen Spruch und Begründung sowie zum Austausch des Tatvorwurfes abgewichen, was im konkreten Fall aus näheren Gründen auch von Relevanz sei. Das VwG habe den Sachverhalt des Weiterbauens nach einer rechtswirksam erfolgten Baueinstellung rechtsirrtümlich als Unterlassung der Beseitigung eines konsenswidrigen Zustandes gem § 129 Abs 10 Wr BauO qualifiziert und als Strafsanktionsnorm statt § 135 Abs 2 Z 2 Wr BauO mit einem Strafrahmen von bis zu € 100.000,-- auch die falsche Strafsanktionsnorm des § 135 Abs 1 Wr BauO mit einem Strafrahmen von bis zu € 50.000,-- seiner Begründung zugrundegelegt; außerdem sei dem Beschwerdeverfahren der mitbeteiligten Partei eindeutig die Beschwerde einer Partei, welche in einem Parallelverfahren erhoben worden sei und welche nicht mit der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde übereinstimme, zugrundegelegt worden. Die Beschwerde der mitbeteiligten Partei, die den Prüfungsumfang des VwG gebildet hätte, sei dagegen unerledigt geblieben.

 

VwGH: § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen ua die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rsp des VwGH zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen.

 

Besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft, handelt, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit.

 

Wenn das VwG die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belBeh als unbegründet abgewiesen hat, ist dies derart zu werten, dass das VwG ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hat, das an die Stelle des beim VwG bekämpften Bescheides tritt.

 

In dem vom VwG insofern - ohne jegliche Änderung das Tatbild betreffend - bestätigten Spruch des Straferkenntnisses wurde die mitbeteiligte Partei wegen der Übertretung des § 127 Abs 8a Wr BauO iVm § 135 Abs 2 Z 2 Wr BauO (mit einer Strafandrohung von bis zu € 100.000,--) wegen fortgesetzter Bauführung entgegen einem zunächst mündlich erteilten und sodann schriftlich ausgefertigten behördlichen Auftrag zur Baueinstellung in Bezug auf näher genannte, nicht bloß anzeigepflichtige Baumaßnahmen bestraft.

 

Das VwG stützte jedoch seine Entscheidung ihrer Begründung nach auf eine Übertretung des § 129 Abs 10 Wr BauO iVm der Strafsanktionsnorm des § 135 Abs 1 Wr BauO (mit einer Strafandrohung von bis zu € 50.000,--) und legte seinem Erkenntnis wie aus der rechtlichen Beurteilung ableitbar, erkennbar den Tatvorwurf zugrunde, dass für das vorliegende Bauvorhaben keine Bewilligung gem § 60 Abs 1 Wr BauO vorgelegen sei, wodurch sich insoweit ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung ergibt, der nach dem Gesagten zur Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses führt. Ebenso liegt ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung insofern vor, als das VwG seiner Entscheidung nicht die Beschwerde der mitbeteiligten Partei zugrundelegte.

 

Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, dass das angefochtene Erkenntnis, das sich in der Darstellung des Verfahrensganges allein durch wörtliche Wiedergabe des Spruchs eines Straferkenntnisses und durch wörtliche Wiedergabe der Beschwerde ohne jegliche Feststellungen und Beweiswürdigung erschöpft, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht genügt.

 

Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen eingegangen werden musste.