OGH: Zur Warn- und Aufklärungspflicht der Bank (iZm Pfandbestellung)
Eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank besteht ausnahmsweise dann, wenn sie vor Vertragsabschluss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat und diesem gerade wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem einen Kredit gewährt, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird oder sonst eine für den Bürgen besonders gefährliche Situation erkennen musste; auch in diesen Fällen besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank jedoch nur dann, wenn sie überdies damit rechnen muss, dass dem Sicherungsgeber dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist; ein Eigeninteresse des Mithaftenden an der Kreditgewährung, etwa weil er wirtschaftlich am finanzierten Projekt beteiligt ist oder durch die Kreditmittel auf andere Weise begünstigt wird, schließt somit Schutz- und Sorgfaltspflichten im Allgemeinen aus
§§ 1295 ff ABGB, § 25c KSchG
GZ 10 Ob 19/23a, 31.10.2023
OGH: Zur Frage der vorvertraglichen Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber Interzedenten (auch) außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG besteht bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rsp. Danach sind Banken nur in Ausnahmefällen verpflichtet, Interzedenten vor der Haftungsübernahme über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären. Diese haben vielmehr die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen. Dies gilt erst recht, wenn der Bürge in einer besonderen Nahebeziehung zum Schuldner steht und von diesem selbst alle näheren Auskünfte fordern und erlangen kann.
Eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank besteht jedoch ausnahmsweise dann, wenn sie vor Vertragsabschluss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat und diesem gerade wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem einen Kredit gewährt, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird oder sonst eine für den Bürgen besonders gefährliche Situation erkennen musste. Auch in diesen Fällen besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank jedoch nur dann, wenn sie überdies damit rechnen muss, dass dem Sicherungsgeber dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist. Ein Eigeninteresse des Mithaftenden an der Kreditgewährung, etwa weil er wirtschaftlich am finanzierten Projekt beteiligt ist oder durch die Kreditmittel auf andere Weise begünstigt wird, schließt somit Schutz- und Sorgfaltspflichten im Allgemeinen aus. Diese Grundsätze gelten insbesondere auch für die Pfandbestellung.
Die Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls.
Unabhängig davon, ob man ihn nun – wie das Berufungsgericht – als „Geschäftspartner“ von M* qualifiziert und wie man den Inhalt des „Vorvertrags“ rechtlich einordnet, kommt darin ein nicht unbeträchtliches wirtschaftliches Eigeninteresse des Beklagten am Projekt des Kreditnehmers und damit auch an der Kreditgewährung zum Ausdruck. Er sicherte sich nicht nur ein Aufgriffsrecht an Anteilen der zu gründenden Gesellschaften und damit die Möglichkeit, an einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts zu partizipieren, sondern als künftiger Geschäftsführer auch einen Einfluss auf die Geschäftsgebarung. Wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichts ableiten lässt, legte M* das der Klägerin (im E-Mail vom 4. Juni 2020) auch offen. Davon, dass der Beklagte ein „gewöhnlicher Realschuldner“ war, der für den Kredit eines anderen nur eine Sicherheit geben sollte, kann angesichts dessen keine Rede sein. Wenn das Berufungsgericht daher davon ausgeht, die Klägerin habe in dieser Situation keine weiteren Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Beklagten getroffen, bedarf das keiner Korrektur. Der Beklagte legt im Übrigen auch nicht näher dar, warum vor dem Hintergrund der „existierenden Rechtsprechung“ Aufklärungspflichten logisch und klar sein sollen.
Dem steht auch nicht die E zu 7 Ob 260/06w entgegen. Zwar weist der dort beurteilte Sachverhalt insofern Ähnlichkeiten zum vorliegenden Fall auf, als ebenfalls bereits Kredite vergeben wurden, obwohl die Ausfinanzierung des betriebenen Projekts und damit der Bestand des Unternehmens vor Aufnahme des Betriebs noch nicht gesichert war. In dieser Konstellation nahm der OGH eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank gegenüber Pfandbestellern an, die am Projekt wirtschaftlich nicht beteiligt waren. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist das hier gerade nicht der Fall. Mit seinem kursorischen und nicht näher konkretisierten Hinweis, diese Entscheidung sei auch im Anlassfall „analog anwendbar“, vermag der Beklagte die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.