VwGH: Waffenverbot iZm Aktivität in der rechtsextremistischen Szene?
Eine strafrechtliche Verurteilung ist für die Begründung eines Waffenverbotes gem § 12 WaffG für sich allein weder ausreichend noch erforderlich; es kommt vielmehr darauf an, ob aus einem bestimmten Sachverhalt die Annahme abgeleitet werden kann, dass der Betroffene durch missbräuchliches Verwenden von Waffen die in der genannten Gesetzesbestimmung angeführten Rechtsgüter gefährden könnte
§ 12 WaffG
GZ Ra 2022/03/0216, 22.11.2023
VwGH: § 12 Abs 1 WaffG erlaubt es nach der stRsp des VwGH, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten. Danach ist (zusammengefasst) für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen.
In inhaltlicher Hinsicht erblickt die Revision eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung darin, ob bzw unter welchen Umständen eine negative Gefahrenprognose über eine Person erstellt werden könne, obwohl diese (lediglich) bei einer legalen, vom Rechtsstaat akzeptierten politischen Partei Mitglied gewesen sei und nur bei politischen legalen Veranstaltungen teilgenommen habe, folglich ob ein legales Verhalten ein Waffenverbot auslösen könne.
Die Frage, ob auch ein „legales Verhalten“ Grundlage für die Verhängung eines Waffenverbotes sein könne, ist in der Rsp des VwGH jedoch bereits geklärt. So kann ein bestimmter Vorfall auch ungeachtet dessen, dass er nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, als „bestimmte Tatsache“ iSd § 12 Abs 1 WaffG im Rahmen der Gefährdungsprognose herangezogen werden. Selbst im Falle eines freisprechenden Urteiles haben die Waffenbehörde und das VwG eigenständig zu beurteilen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den hiefür vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung eines Waffenverbotes rechtfertigen kann. Eine strafrechtliche Verurteilung ist für die Begründung eines Waffenverbotes gem § 12 WaffG für sich allein daher weder ausreichend noch erforderlich. Es kommt vielmehr darauf an, ob aus einem bestimmten Sachverhalt die Annahme abgeleitet werden kann, dass der Betroffene durch missbräuchliches Verwenden von Waffen die in der genannten Gesetzesbestimmung angeführten Rechtsgüter gefährden könnte.
Im Übrigen geht die Revision mit dem alleinigen Abstellen auf die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei und Teilnahme an deren Veranstaltungen nicht vom gesamten vom VwG seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt aus:
Das VwG hat nämlich - wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - ausgeführt, dass „derartige Gruppierungen“ wie jene, der die Revisionswerberin (bis zur Durchführung einer anlassbezogenen waffenrechtlichen Überprüfung) angehörte, ihre Zielvorstellungen gegebenenfalls mit Waffengewalt verwirklichen, sowie dass bei der Revisionswerberin ein Aggressionspotenzial bzw eine Gewaltbereitschaft bestünde. Die Revision bekämpft diese Feststellungen nicht, sodass das angefochtene Erkenntnis gem § 41 erster Satz VwGG auf dieser Grundlage zu überprüfen ist.
Damit liegt aber entgegen dem Revisionsvorbringen auch keine Abweichung von der - auch vom VwG zitierten - Rsp des VwGH vor:
Das Erkenntnis des VwGH vom 17. September 2003, 2001/20/0100, betraf ein Waffenverbot auf Grund einer Verurteilung nach dem VerbotsG, welche jedoch auf Grund der Höhe der verhängten Strafe nicht zum Ausschluss der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nach § 8 Abs 3 und 4 WaffG geführt hatte. Der Betroffene hatte in näher dargestellter Weise aktiv an einer Kundgebung der VAPO mitgewirkt sowie mehrere Gegenstände mit dem Vorsatz gesammelt bzw bereitgehalten, dass diese gegebenenfalls als Anschauungs- und Propagandamaterial der Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes dienen. Der VwGH hat in diesem Erkenntnis darauf hingewiesen, dass es sich bei der VAPO um eine Verbindung handelte, deren Zweck darin bestand, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich dadurch zu untergraben, dass zumindest auf längere Sicht die Beseitigung der auf der Verfassung beruhenden demokratischen Rechtsordnung der Republik Österreich und deren Ersatz durch eine nationalsozialistische Regierung unter Einbindung Österreichs in ein wieder zu errichtendes nationalsozialistisches Großdeutsches Reich angestrebt wird. Nationalsozialistisches Gedankengut schließe es nicht aus, dass seine Zielvorstellungen gegebenenfalls mit Waffengewalt verwirklicht werden, und zu diesen Zielvorstellungen gehörten - wie auch die Titel der beim Betroffenen gefundenen Videobänder gezeigt hätten - Zustände, zu deren Herstellung der Einsatz von Waffen typischerweise dienlich sei. Für die Prognose iSd § 12 Abs 1 WaffG, ob die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen besteht, sei jedenfalls das gesamte Verhalten des Betroffenen von Bedeutung. Durch sein Verhalten habe er zum Ausdruck gebracht, dass er die Ziele der VAPO gutheiße und auch zu unterstützen bereit sei. Der belBeh habe daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden können, wenn sie zu einer Prognose iSd § 12 Abs 1 WaffG gelangt sei.
Dem Erkenntnis des VwGH vom 5. Juni 1996, 95/20/0142, lag die Mitgliedschaft des dortigen Bf in einer als „Wehrsportgruppe“ bezeichneten Gruppierung zu Grunde. Der Bf hat im Beschwerdeverfahren einerseits vorgebracht, von der diesbezüglich erhobenen Anklage wegen des Vergehens der Bewaffneten Verbindung (§ 279 Abs 1 StGB) rechtskräftig freigesprochen worden zu sein und andererseits eine Reihe von Feststellungen bekämpft, zu denen er sich wegen der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs im Behördenverfahren nicht habe äußern können. Der VwGH verneinte die Relevanz der vorgebrachten Verfahrensmängel, weil bereits die vom Bf nicht oder nicht substantiiert bestrittenen Tatsachen dafür ausgereicht haben, dass die belBeh zu Recht die Voraussetzungen des § 12 WaffG ableiten durfte. So sei der Bf aktives Mitglied einer Gruppe gewesen, deren Angehörige eine manifeste Gewaltbereitschaft aufgewiesen (versuchtes Bombenattentat, Gewaltideen im Zuge ausländerfeindlicher Einstellung) und teilweise Schusswaffen besessen hätten. In diesem Zusammenhang hätten auch Schießspiele mit einer Gotcha-Pistole und das Schießen mit Luftdruckwaffen - beides jeweils allein für sich genommen Umstände, welche noch nicht für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs 1 WaffG ausreichten - Bedeutung für die zu treffende Prognose, indem sie diese Gewaltbereitschaft unterstrichen. Auf den etwaigen inneren Vorbehalt eines Gruppenmitgliedes komme es bei der gebotenen Beurteilung nach objektiven Kriterien nicht an.
Entgegen dem Revisionsvorbringen war in diesen Fällen weder das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung entscheidend, noch legte der VwGH seiner Entscheidung zu Grunde, dass es sich bei der „Wehrsportgruppe“ um eine „verbotene rechtsradikale Organisation“ gehandelt hätte.
Wenn das VwG im vorliegenden Fall - der gekennzeichnet ist durch eine langjährige Aktivität der Revisionswerberin in der rechtsextremistischen Szene, aktive Mitgliedschaft in einer Gruppierung, die ihre Zielvorstellungen gegebenenfalls mit Waffengewalt verwirklicht, sowie ein aus der nicht bloß untergeordneten Teilnahme der Revisionswerberin an rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen abgeleitetes Aggressionspotenzial bzw eine solche Gewaltbereitschaft - in der gebotenen Gesamtschau zu Ergebnis kommt, dass dies eine Prognose iSd § 12 Abs 1 WaffG ermöglicht und damit ein Waffenverbot rechtfertigt, so ist vor dem Hintergrund der dargestellten Jud nicht zu erkennen, dass es damit von den Leitlinien der Rsp des VwGH abgewichen wäre.