OGH: Zur Ähnlichkeit von Marken
Zusätzlich zum Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung („Verwechslungsgefahr“) bedarf es zur Begründung einer Verletzung nach Art 9 Abs 2 lit c UMV des Ausnutzens oder Beeinträchtigens der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke in unlauterer Weise
Art 9 UMV
GZ 4 Ob 40/23w, 19.12.2023
OGH: Der Schutzumfang von eingetragenen Marken wird zwar grundsätzlich durch den Registerstand definiert, dennoch wird beim Ähnlichkeitsvergleich mitunter auch eine „auf dem Kopf Betrachtung“ angestellt. Die Marken der Klägerin sind hier weltbekannt und zählen (gerichtsnotorischerweise) zu den weltweit wertvollsten Marken. Der Schutz der bekannten Marke setzt keine - hier ohnehin gegebene - Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Die einander gegenüberstehenden Zeichen müssen deshalb einander gleich oder ähnlich sein, weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann. Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird; es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der 3 Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht.
Nach der Rsp des EuGH ist das Vorliegen einer solchen gedanklichen Verknüpfung umfassend unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, die Art der Waren und Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen sind, einschließlich des Grades der Nähe oder der Unähnlichkeit dieser Waren und Dienstleistungen sowie die betreffenden Verkehrskreise, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke, der Grad der ihr innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft und das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum gehören. Der Schutz der bekannten Marke gilt sowohl im Bereich einander ähnlicher als auch einander nicht ähnlicher Waren und Dienstleistungen. Der Schutzbereich bekannter Marken wird damit über die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit hinaus erweitert, ohne dass es auf eine Verwechslungsgefahr ankommt.
Zusätzlich zum Bestehen einer gedanklichen Verknüpfung - die hier zu bejahen ist, zumal schon die Verwechslungsgefahr gegeben ist - bedarf es zur Begründung einer Verletzung nach Art 9 Abs 2 lit c UMV des Ausnutzens oder Beeinträchtigens der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der bekannten Marke in unlauterer Weise. Bei Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens liegt es wegen der bei bekannten Marken offenkundigen Möglichkeit einer Rufausnutzung nahe, unlautere Motive zu vermuten. Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung und Verwässerung bekannter Marken indizieren grundsätzlich die Rechtswidrigkeit; diese entfällt nur, wenn der Verletzer besondere Umstände geltend macht.