OGH: § 782 ABGB – zur Frage, ob ein Rückfallsrecht verhindert, dass der Übergeber die Schenkung „wirklich gemacht“ und somit das Vermögensopfer erbracht hat (hier: Vereinbarung eines Rückfallsrechts an den Geschenkgeber im Falle des Vorversterbens des Geschenknehmers)
Vermögensopfer wird durch ein Besitznachfolgerecht nicht verhindert, wenn die Liegenschaft bei einem früheren Ableben des Geschenknehmers wieder an den Geschenkgeber fällt
§ 782 ABGB
GZ 2 Ob 210/23f, 21.11.2023
OGH: Nach § 782 Abs 1 ABGB (in der hier anzuwendenden Fassung des ErbRÄG 2015) sind Schenkungen, die – wie hier unstrittig – der Verstorbene in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod an Personen, die nicht dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören, wirklich gemacht hat, bei der Berechnung der Verlassenschaft hinzuzurechnen.
Nach gesicherter Rsp ist eine Schenkung in diesem Sinn „wirklich gemacht“, wenn der Geschenkgeber das Vermögensopfer endgültig erbracht hat. Zur Bestimmung dieses Zeitpunkts ist nicht der Abschluss eines der Zuwendung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts maßgeblich, sondern dessen tatsächliche Erfüllung iSe endgültigen und unwiderruflichen Übergangs der Rechtszuständigkeit. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eigentumserwerb und damit der „wirklich gemachten“ Schenkung ist demnach – spätere Bewilligung und Vollzug vorausgesetzt – jener des Einlangens des Grundbuchsgesuchs. Der Erfolg des Rechtsmittels hängt damit davon ab, ob die Schenkung bereits im Jahr 2016 iSd § 782 ABGB „wirklich gemacht“ wurde, der Erblasser also bereits zu diesem Zeitpunkt das Vermögensopfer endgültig erbracht hat.
Nach der Jud wird das Vermögensopfer bei einer Liegenschaftsschenkung auch dann erbracht, wenn sich der Geschenkgeber ein Wohnungsgebrauchsrecht samt Belastungs- und Veräußerungsverbot zurückbehält; das gilt auch bei Vorbehalt eines Fruchtgenussrechts.
Die Vorinstanzen sind iSd referierten Jud zutreffend davon ausgegangen, dass das vereinbarte lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht sowie das Belastungs- und Veräußerungsverbot das Vermögensopfer nicht hindern.Entsprechendes gilt auch für das im Anlassfall vereinbarte „Rückfallsrecht“.
Dabei handelt es sich um eine Form des von Lehre entwickelten Besitznachfolgerechts. Dabei vereinbaren alter und neuer Eigentümer in Anlehnung an die Nacherbschaft, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist an einen anderen, nämlich den Besitznachfolger, fällt oder dass zumindest die Verpflichtung besteht, das Eigentum zu übertragen. Der Besitznachfolger kann entweder der alte Eigentümer oder ein Dritter sein. Ein solches Besitznachfolgerecht bewirkt eine (mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot vergleichbare) Verfügungsbeschränkung des Eigentümers.
Von der konkreten vertraglichen Gestaltung hängt es ab, wann die Besitznachfolge eintritt. Im Anlassfall war der Rückfall (nur) für den Fall vorgesehen, dass die Beklagte vor dem Erblasser stirbt. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass für den Erblasser keine Möglichkeit bestanden hätte, die Schenkung zu widerrufen. Damit hätte keine Rückübertragung stattfinden können, die von seinem Willen abhing.
Dem ist zuzustimmen. Nach den Materialien zu § 782 ABGB wird das Vermögensopfer zwar ausgeschlossen, wenn der Geschenkgeber noch in der Lage ist, die geschenkte Sache wieder zurück zu erwerben. Damit ist aber (nur) gemeint, dass diese Rückerlangung vom Willen des Geschenknehmers abhängt. Das im Anlassfall vereinbarte Besitznachfolgerecht kann damit das Vermögensopfer nicht ausschließen, weil der Erblasser nicht mehr die Möglichkeit hatte, die Liegenschaft zurückzufordern.
Auch die Bezugnahme auf die „Gesamtschau“ aller Rechte kann den Standpunkt des Klägers nicht stützen. Die kombinierte Vereinbarung eines Wohnungsgebrauchsrechts, eines Belastungs- und Veräußerungsverbots sowie eines Besitznachfolgerechts ändert nichts daran, dass der Erblasser den Schenkungsvertrag bereits unwiderruflich erfüllt hat und damit das Vermögensopfer endgültig erbracht hat.