08.01.2024 Sozialrecht

VwGH: § 2 Abs 1 lit c FLAG – zur Frage des Zeitpunktes des Eintritts der dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen

Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt; maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt


Schlagworte: Familienbeihilfe, Krankheit, körperliche / geistige Behinderung, Erwerbsunfähigkeit, Zeitpunkt, Gutachten
Gesetze:

 

§ 2 FLAG

 

GZ Ra 2023/16/0086, 08.11.2023

 

Die Revisionswerberin wendet sich gegen die vom BFG herangezogenen Gutachten und bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das BFG stütze sich zur Frage des Zeitpunktes des Eintritts der dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auf zwei Gutachten, die beide auf das Gutachten des Dr D verweisen würden, das jedoch in einem Verfahren zur Feststellung der Frage, ob eine Arbeitsunfähigkeit des Sohnes der Revisionswerberin iSd § 236 Abs 4 Z 3 ASVG vorgelegen sei, eingeholt worden sei. Die Verwertung dieses, in einem völlig anderen Verfahren eingeholten Gutachtens, verletze „Verfahrensgrundsätze“. Das BFG hätte ein neuerliches Gutachten einholen müssen, weil der Verweis der Sachverständigen auf ein Gutachten in einem anderen Verfahren zu einer anderen Rechtsfrage eine bloße Behauptung darstelle und aufgrund des unterschiedlichen Verfahrensgegenstandes unzulässig sei.

 

VwGH: Nach stRsp des VwGH kann eine zu einer solchen Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit c FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt.

 

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche körperliche oder geistige Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 27. oder 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das BFG an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen.

 

Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen, die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für das Finanzamt im Verfahren über den Eigenanspruch des Revisionswerbers auf erhöhte Familienbeihilfe eingeholten Gutachten hätten sich nicht auf das in einem zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Sohnes der Revisionswerberin iSd § 236 Abs 4 Z 3 ASVG geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren stützen dürfen, nicht auf, dass das BFG bei der Prüfung der eingeholten Gutachten auf ihre Vollständigkeit und Schlüssigkeit von der Rsp des VwGH abgewichen wäre. Zum Einen verwiesen die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingeholten Gutachten nicht ausschließlich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr D, zum anderen legt die Revision nicht dar, welche für die Beurteilung des Zeitpunktes des Eintritts der dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, maßgeblichen Tatsachen, Unterlagen oder Befunde in den beiden für das Verfahren auf erhöhte Familienbeihilfe eingeholten Gutachten unberücksichtigt geblieben wären oder zu einer Widersprüchlichkeit der Gutachten geführt hätten.

 

Da die Revision eine Unschlüssigkeit der Gutachten nicht aufzeigt, geht auch das Vorbringen, das BFG hätte ein weiteres Gutachten einholen müssen, ins Leere.